Das Krakauer Ghetto im Zweiten Weltkrieg – ein Fallbeispiel der Shoa

1939-1941: Verfolgung

Die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Krakau beginnt bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn und der Besatzung der Stadt am 06. September. Viele Juden fliehen anfangs vor den deutschen Besatzern in den Osten Polens, viele in den sowjetisch besetzten Teil des Landes, von wo viele jedoch nach kurzer Zeit wieder zurückkehren, da sie lieber das bekannte Übel wählen als die Fremde.[1] Halina Nelken, eine damals 17-Jährige Krakauer Jüdin, schreibt dazu in ihrem Tagebuch, das den Krieg und die Shoa ebenso wie sie selbst überlebt hat: „Wir beschlossen, sofort nach Hause zu fahren. Im Osten war mir alles fremd, besonders die Rote Armee. Vor den sowjetischen Soldaten in ihren langen Mänteln hatte ich Angst, auch wenn sie so schön sangen.“[2]

In der Stadt bleiben überwiegend Händler, Handwerker und Angestellte zurück, da es Teilen der assimilierten oder zionistisch orientierten Intellektuellen entweder unmittelbar vor Kriegsausbruch oder kurz danach gelingt, die Stadt und auch Polen zu verlassen. Außerdem bleiben so gut wie alle orthodoxen Juden in Krakau.[3]

Bereits zwei Tage nach der Besetzung der Stadt, am 08. September, ergeht durch SS-Oberscharführer Paul Siebert der Befehl zur Errichtung eines Judenrates. Die Auswahl der Mitglieder und die anschließende Leitung wird dem zuvor in der jüdischen Fürsorge aktiven Marek Bieberstein aufgezwungen. Der in den folgenden Tagen errichtete Judenrat stellt das Bindeglied zwischen den Besatzungsorganen und der jüdischen Bevölkerung dar, die dem Rat unterstellt ist, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass er von den Besatzern, also dem Judenreferat der Gestapo, komplett abhängig ist. Für die Mitglieder des Judenrates beginnt eine Gratwanderung zwischen den deutschen Befehlen und dem Schutz der jüdischen Bevölkerung. Schnell wird eine weitverzweigte jüdische Verwaltung aufgebaut und 1940 eine eigene jüdische Polizei ausgehoben, der sogenannte Ordnungsdienst, der für Ordnung und den Streifendienst zuständig ist. Die Tatsache, dass die Teilnahme daran freiwillig und unbesoldet ist, ist mit dafür verantwortlich, dass der Ordnungsdienst zusammen mit dem gesamten Judenrat als Verräter im Zentrum der jüdischen Kritik steht.[4]

Die Vertreibung von Juden aus den direkt in das Deutschen Reich integrierten Teilen Polens führt dazu, dass auch in Krakau Wohnungsnot herrscht. Der Judenrat organisiert Notunterkünfte in Synagogen und Schulen. Trotz der Not und den bereits in den ersten Tagen vollhängten antijüdischen Verordnungen, die sich im Laufe der Besatzungszeit immer weiter verschärfen, geht für die Juden im besetzten Krakau, das nun „Hauptstadt“ des von den Deutschen errichteten Generalgouvernements ist, das Leben weiter. Gegen die immer weiter ansteigende, aus den Verordnungen resultierende Armut der jüdischen Bevölkerung werden Volksküchen eingerichtet. Besonders die ab Mitte November 1939 vollzogene Sperrung von jüdischen Konten, das Verbot des Gebrauchs des Hebräischen, das Konfiszieren von Autos und die Kennzeichnungspflicht mit dem Davidsstern machen das Leben der Juden immer schwieriger und beschwerlicher. Im Dezember 1939 kommt es zu den ersten Plünderungen und Razzien in Kasimierz, dem jüdischen Viertel von Krakau.

Es folgen weitere Verordnungen wie eine nächtliche Ausgangssperre für Juden, das Einfrieren von Renten und dem Verbot der Ausübung von intellektuellen Berufen. Besonders letztere Verordnung führt zu einer Verarmung der jüdischen Bevölkerung und raubt den Intellektuellen vor allem später im Ghetto die Lebensgrundlage bzw. verändert die komplette Sozialstruktur, in der nun handwerkliche bzw. allgemein praktische Fähigkeiten einen viel höheren Stellenwert haben.[5]

Seit Oktober 1939 herrscht zudem Arbeitszwang, Juden können nun zu jeder Arbeit gezwungen werden. Das vom Judenrat gegründete Arbeitsamt soll der jüdischen Bevölkerung Arbeit vermitteln und sorgt in manchen Fällen dafür, dass sich reichere Juden vom Arbeitszwang freikaufen können.

Die Pläne der deutschen Besatzer in Form von Generalgouverneur Hans Frank sehen für Krakau eine Vertreibung der meisten Juden vor. Vorgesehen ist, dass die 65.000 zur Jahreswende 1939/40 in Krakau lebenden Juden auf 5.000, maximal 10.000 reduziert werden sollen, die als Handwerker dringend benötigt werden, später jedoch ebenso vertrieben werden sollen.

Dem Judenrat wird daher im März 1940 befohlen, die Umsiedlung zu organisieren. Denjenigen, die bis Mitte August freiwillig gehen würden, wird zugesprochen, ihre Habe mitnehmen und einen eigenen Wohnort wählen zu können. Nach Ablauf der Frist haben jedoch „lediglich“ 22.000 Juden „freiwillig“ die Stadt verlassen. Für viele bedeutet dies nach der Vertreibung aus den annektierten Gebieten Polens die zweite Vertreibung.[6]

Halina Nelken beschreibt die Umsiedlung in ihrem Tagebuch folgendermaßen: „8. März 1941: […] In einigen Tagen sollen wir aus dem Ghetto gehen. Ich bin hier geboren, meine Mama auch. Ich schaue mich in den hellen, freundlichen und anheimelnden Räumen um … und es tut mir so leid! Wenn ich dieses Haus verlasse, werde ich, das weiß ich, unwiederbringlich etwas zurücklassen, von dem ich noch nicht genau weiß, was es ist: einen Teil meines Lebens, die sorglosen Jahre der Kindheit und das ‚Flegelalter‘?“[7] Und am 20. März beschreibt sie den Tag des ‚Umzugs‘ mit folgenden Worten: „Der Eintrag von vorgestern zeigt, wie durcheinander ich am Tag des Umzugs ins Ghetto war. Ich kämpfte mit Wehmut und Tränen, und gleichzeitig rissen Felek und ich voller Galgenhumor Witze angesichts der ‚Völkerwanderung‘. Offene Lastwagen und Möbelwagen, die mit Gerümpel überladen waren, zogen in die eine Richtung, und in der Gegenrichtung waren Polen unterwegs, denn die Bewohner dieses Teils von Podgórze mußten für uns ihre Wohnungen freimachen. Kazimierz würde auf einmal voller ‚Arier‘ sein! Felek und ich fanden das Tohuwabohu des Umzugs irrsinnig komisch.“[8]

1941/42: Im Ghetto

Die angestrebte Vertreibung geht für die Besatzer lange nicht schnell genug voran, und so geht die Vertreibung ab November 1940 besonders aggressiv von statten. Das Arbeitsamt bestimmt durch Kennkarten, wer bleiben darf. Diese Selektion ist ein wichtiger Teil der Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung und wird bis zur Auflösung des Ghettos ein Repressionsmittel der Besatzer bleiben.

Das Scheitern der deutschen Pläne zur Vertreibung fast aller Juden aus Krakau führt schließlich im März 1941 zur Errichtung eines „Jüdischen Wohnbezirks“, also eines Ghettos im gegenüber dem jüdischen Viertel gelegenen, jedoch durch die Weichsel getrennten ärmlichen Stadtteil Podgórze, aus dem nun alle nichtjüdischen Bewohner gehen müssen. 15.000 Menschen müssen nun in einem Stadtteil leben, in dem zuvor 3.000 Platz fanden. Die dadurch hervorgerufene Wohnungs- bzw. Platznot verschlimmert sich sogar nach und nach noch. Anfang April, genau während des Pessach-Festes wird mit dem Bau einer Mauer um das Ghetto begonnen. In Form von jüdischen Grabsteinen kündigt sie den Eingeschlossenen von der nahen Vernichtung. [9]

Im Ghetto ändert sich nicht nur die Familienstruktur, in der nun beispielsweise Kinder und auch Frauen nach der Flucht vieler Väter nach Ostpolen eine immer wichtige Rolle einnehmen. Neben der sich veränderten Sozialstruktur, hervorgerufen durch das Arbeitsverbot intellektueller Berufe, herrscht auch vor allem durch die Wohnungsnot, durch die mehrere Familien in kleinen Wohnungen auf engstem Raum zusammenleben müssen, keine homogene und solidarische Gemeinschaft im Ghetto.

Trotz dieser Konflikte und der schwierigen Lage aller Ghettobewohner entwickelt sich ein Alltagsleben mit Cafés, Geschäften oder Konzerten, und auch der Talmud-Unterricht wird im Geheimen fortgesetzt.

Der Armut wird durch von der ‘Jüdischen Sozialen Selbsthilfe’ organisierte Volksküchen und einem Krankenhaus im Ghetto versucht beizukommen. Zur finanziellen Unterstützung für sozial Schwache und die Versorgung von Flüchtlingen reichen jedoch oft die Mittel nicht aus.

Im Herbst 1941 wird das Ghetto gegenüber der Außenwelt weiter abgeschottet. Juden, die sich ohne Genehmigung außerhalb der Ghettomauern aufhalten, werden erschossen. Durch eine Vertreibung von ca. 6.000 bis dahin in der näheren Umgebung Krakaus lebenden Juden ins Ghetto verschlimmert sich die Lage im Ghetto nochmals. Die Einteilung des Wohnraums geschieht durch die Anzahl der Fenster pro Raum. Oft müssen 15 Personen in einen kleinen Raum mit nur einem Fenster zusammenleben. Ende 1941 leben 18.000 Menschen im Ghetto.

Die ersten Deportationen aus dem Ghetto beginnen im November 1941. Die Besatzer erklären die Deportation durch die Überbevölkerung im Ghetto und aus Angst vor der Verbreitung von ansteckenden Krankheiten. Deportiert werden vor allem Alte und Arbeitslose, also der Teil der Ghettobewohner, die keine der begehrten, vom Arbeitsamt ausgestellten Kennkarten besitzt. 2.000 Juden werden in einen kleinen Ort im Distrikt Lublin gebracht.

Die Selektion der Ghettobewohner wird währenddessen fortgesetzt. Zur Jahreswende 1941/42 müssen alle zwischen 14 und 25 Jahre Alten eine körperliche Untersuchung über sich ergehen lassen, bei der sich wieder die Willkür der deutschen Besatzer zeigt, die zwar von Anfang an in institutionelle Bahnen gelenkt wurde, jedoch neben dieser gesetzlichen Verfolgung immer parallel weiterbesteht.

1942/43: Vernichtung

Am 30. Mai 1942 werden die Menschen im Ghetto durch Plakatanschläge über die nächste Selektion informiert, die durch einen Stempel auf den Kennkarten stattfinden soll, den lediglich 50% der Bewohner erhalten. Wer keinen Stempel erhalten hat, also wessen Arbeit nicht als kriegswichtig eingestuft wurde oder der aus anderen Gründen von den oft willkürlich selektierenden deutschen Behörden als nicht berechtigt eingestuft wurde, im Ghetto zu bleiben, soll sich am folgenden Tag auf dem Umschlagplatz versammeln. Durch vom jüdischen Ordnungsdienst und der SS durchgeführte Razzien werden etwa 2.000 Juden aus ihren Wohnungen geholt und ins Vernichtungslager Belzec deportiert, wo sie sofort nach ihrer Ankunft ermordet werden.

Weitere Selektionen folgen wenige Tage darauf statt, am 06. und 07. Juni. Wer den nötigen Schein nicht erhält, wird sofort festgenommen und am Tag darauf deportiert. Mindestens 3.000 Menschen werden an diesem Tag nach Belzec in den Tod geschickt. Innerhalb einer Woche deportieren die Deutschen 7.000 Menschen, ein Drittel der Ghettobevölkerung. Der Ordnungsdienst setzt die deutschen Befehle bei den Razzien und den Deportationen unter dem neuen Vorsitzenden des Judenrates, David Gutter, sofort und rücksichtslos durch. [10]

Am 20. Juni wird das Ghetto verkleinert, wodurch die Wohnbedingungen sich noch weiter verschlechtern.

Im selben Monat, im Juni 1942, erhält die Sicherheitspolizei die Verantwortung für die „Judenfragen“ und löst damit Hans Frank in diesen Belangen ab.

Die nun folgende Auflösung des Ghettos und die damit verbundene Errichtung des KZ Plaszow ist auf einen Beschluss Himmlers zurückzuführen, der am 19. Juli die Prämisse vorgegeben hatte, dass sich außerhalb der fünf Sammellager Warschau, Krakau, Radom, Tschenstochau und Lublin im Generalgouvernement keine Juden mehr aufhalten sollten.[11]

Der nächsten Deportation Ende Oktober 1942, bei der auch das jüdische Waisenhaus im Ghetto aufgelöst wird, fallen 7.000 Menschen zum Opfer. Viele verzweifeln angesichts der immer aussichtsloser werdenden Situation und nehmen sich das Leben. Trotzdem versuchen die Zurückgebliebenen, ein normales Leben weiterzuführen, was jedoch nur teilweise gelingt.

Nach einer erneuten Verkleinerung des Ghettos nach der Oktober-Deportation wird es schließlich im Dezember 1942 in ein Ghetto A und B aufgeteilt. In Ghetto A leben alle von den Besatzern als arbeitsfähig eingestuften Juden, in Ghetto B jene, die keinen Arbeitsnachweis haben oder erst vor kurzem aus der Krakauer Umgebung ins Ghetto gebracht worden sind.[12]

Im Zusammenhang mit der Aufteilung des Ghettos steht Himmlers oben bereits erwähnter Befehl: Alle ab 1941 bereits im Ghetto wohnenden Juden sollen nach und nach ins „Judenarbeitslager“ Plaszow „verlegt“ werden. „Dies betrifft die jüdischen Arbeitskräfte, die für die Rüstungsinspektion, die Heeresdienststellen, die Betriebe des Wehrkreisbefehlshabers und private Firmen, die kriegswichtige Aufträge ausführten, tätig waren.“[13]

Die Arbeit der Ghettobevölkerung regelt nun die SS direkt, das jüdische Arbeitsamt wird aufgelöst. Die Arbeitsnachweise müssen von den Firmen selbst eingereicht werden. Die als arbeitsfähig Eingestuften werden vielfach von ihren Familien getrennt und müssen Baracken im nahen KZ Plaszow bauen. Spätestens jetzt ist allen Juden in Krakau bewusst, welches Schicksal sie erwartet und was mit ihren deportierten Mitmenschen geschehen ist.

Die Hoffnungslosigkeit der im Ghetto eingeschlossenen wird in Halinas Tagebuch sehr deutlich. Am 15. Januar 1943 – inzwischen wohnt sie in einer Baracke außerhalb des Ghettogeländes und arbeitet auf einem Flugplatz –  schreibt sie: „Das Ghetto wird langsam, aber sicher liquidiert. Alle wissen es, und dennoch retten sich die Leute nicht. Wozu auch und wie? Wohin fliehen? Die Jüngeren können es noch riskieren, obwohl es ohne Papiere, Geld und Beziehungen schwierig ist. Die Menschen sind erschöpft, durch ihre Familien und die Kollektivhaftung gefesselt – es scheint, als warteten sie tatenlos, willenlos, resigniert, verachtungswürdig. ‚Er zittert vor Angst wie ein Jude‘, – aber es ist doch nicht nur die Angst um einen selbst, wenn jemand zittert. Ich war zweimal in einem kurzen Besuch im Ghetto, und jedesmal stelle ich verzweifelt fest, daß meine Eltern immer elender aussehen. Ich wäre so gerne wieder bei ihnen!“[14]

Die Auflösung des Ghettos findet am 13. März 1943 statt. Das Ghetto wird umstellt und die Übergänge zwischen den beiden Teilen versperrt. Alle als arbeitsfähig eingestuften müssen mit ihren Kindern über 14 Jahren ins KZ Plaszow, alle übrigen ins Ghetto B. Heillose Panik bricht aus, einigen wenigen gelingt noch die Flucht.

Am Tag darauf werden alle Kindern im Ghetto B erschossen. (Manche Mütter erfahren im KZ vom Tod ihrer eigenen Kinder, wenn sie zufällig deren Kleider verarbeiten müssen.) Die Gewalt, welche an diesem Tag von den Besatzern ausgeht, übertrifft alles bisherige. Viele Menschen werden nicht einmal mehr in ein Vernichtungslager deportiert, sondern sofort im Ghetto erschossen. Vielen wird nach einer letzten Demütigung und Erniedrigung auf dem zentralen Umschlagplatz ins Genick geschossen.

An diesen zwei Tagen deportieren und ermorden die Deutschen 3.000 Menschen, 2.000 Männer, Frauen und Kinder ermorden sie direkt im Ghetto.

Quellen

Nelken, Halina: Freiheit will ich noch erleben, Krakauer Tagebuch. Vorw. von Gideon Hausner. Aus dem Poln. von Friedrich Griese, Gerlingen 1996

Löw, Andrea; Roth, Markus: Juden in Krakau unter deutscher Besatzung 1939-1945, Göttingen 2011

Der Ort des Teorrors: Riga-Kaiserwald, Warschau, Vaivara, Kauen (Kaunas), Płaszów, Kulmhof/Chelmno, Bełżec, Sobibór, Treblinka, hrsg. von Wolfgang Benz,Barbara Distel,Angelika Königseder, München 2008

[1]Löw, Andrea; Roth, Markus: Juden in Krakau unter deutscher Besatzung 1939-1945, Göttingen 2011

[2]Nelken, Halina: Freiheit will ich noch erleben, Krakauer Tagebuch. Vorw. von Gideon Hausner. Aus dem Poln. von Friedrich Griese, Gerlingen 1996, S. 73

[3]Der Ort des Teorrors: Riga-Kaiserwald, Warschau, Vaivara, Kauen (Kaunas), Płaszów, Kulmhof/Chelmno, Bełżec, Sobibór, Treblinka, hrsg. von Wolfgang Benz,Barbara Distel,Angelika Königseder, München 2008, S. 236

[4]Löw; Roth: Juden in Krakau, S. 18ff.

[5]Löw; Roth: Juden in Krakau, S. 27ff.

[6]Ebd., S. 30ff.

[7] Nelken: Freiheit will ich noch erleben, S. 103

[8] Ebd., S. 105

[9]Löw; Roth: Juden in Krakau., S. 52ff.

[10]Löw; Roth: Juden in Krakau: S. 129ff.

[11]Der Ort des Terrors, S. 237

[12]Löw; Roth: Juden in Krakau, S. 154ff.

[13]Der Ort des Terrors, S. 238

[14] Nelken: Freiheit will ich noch erleben, S. 247

Der Weg zum “normalen” Staat. Die Außenpolitik der UdSSR vor dem Hitler-Stalin-Pakt

„Doch alles verblasste und wurde ausgelöscht vor dem Eindrucke eines winzigen Viadukts in der Tiefe, der sich über den Schienenstrang Leningrad-Reval plötzlich auf freier Strecke erhob: die Triumphpforte des roten Erdteils, das Tor, das die zwei Welten auf diesem Planeten trennt. Es durchzuckte das Schiff wie ein elektrischer Schlag, die einen mit Freude, die andern mit Haß. […] Die Grenze – jene unsichtbare Linie, die deutlicher als der Äquator, unseren Planeten in zwei Hälften teilt, zog auch durch das Schiff.“[1] Dieser Auszug aus dem Bericht des Journalisten Arthur Koestler von der 1931 mit einem deutschen Luftschiff durchgeführten Expedition in die sowjetische Arktis vermittelt die – mehr ideologische als geographische – Entfernung zwischen der UdSSR und dem kapitalistischen Rest der Welt zu Beginn der 30er Jahre.

Die Überbrückung dieser Schlucht, die Annäherung an das kapitalistische Ausland, das Drängen in das internationale Gefüge, die Errichtung eines Sicherheitssystems, das den ersten sozialistischen Staat der Geschichte vor einem gemeinsamen antikommunistischen Kreuzzug der kapitalistischen Staaten schützen sollte, also all jene Ziele der sowjetischen Außenpolitik in den 30er Jahren bis zum vieldiskutierten Hitler-Stalin-Pakt, sind jedoch undenkbar ohne die Etablierung und Selbstdarstellung der UdSSR als Staat unter Staaten. Wie die Polarforscher bei ihrem Zwischenstopp in Leningrad mit militärischen Ehren empfangen wurden, so sollten nun auch Botschafter und Politiker aus dem Ausland im Staate der Weltrevolution empfangen werden. Die Weltrevolution wurde aufgeschoben, diplomatische Kontakte geknüpft und schließlich erfolgte 1934 der Eintritt in den Völkerbund, der zunächst größte Erfolg des neuen Außenkommissars Litvinov. Zwar zerbrach der anschließend geschlossene Pakt mit Frankreich und der Tschechoslowakei durch die Appeasement-Politik Frankreichs im Münchner Abkommen, jedoch konnte sich die Sowjetunion bis zum Beginn der deutschen Aggression in den Jahren 1938/39 erfolgreich in das internationale System einfügen.

Im Rahmen dieser Arbeit soll die sowjetische Außenpolitik dieser Zeit unter dem Gesichtspunkt der Etablierung der UdSSR als in außenpolitischer Hinsicht den westlichen kapitalistischen Nationen angeglichener Staat betrachtet werden. Nach der für das Verständnis der sowjetischen Außenpolitik überaus wichtigen Darstellung von Stalins Staats-und Revolutionsverständnisses, dem sogenannten Konzept des „Sozialismus in einem Land“ sollen auf diese Weise zum einen einige der wichtigsten Ereignisse wie der bereits erwähnte Eintritt in den Völkerbund und das Bündnis mit Frankreich betrachtet werden. Zum anderen sollen auch allgemeine Tendenzen wie die Selbstdarstellung der UdSSR im Völkerbund sowie die Politik der Komintern und der außenpolitische Gehalt der neuen „Stalin“-Verfassung von 1936 analysiert werden, um zum Schluss einen Ausblick auf das Ende des maßgeblich durch Litvinov geschaffenen „Systems der kollektiven Sicherheit“ zu geben und kurz die verschiedenen Forschungsthesen um das Münchner Abkommen 1938 und vor allem den Hitler-Stalin-Pakt 1939 zu geben.

Die Zielsetzung dieser Arbeit ist also, die Außenpolitik des ersten sozialistischen Staates unter dem Gesichtspunkt zu analysieren, wie sich dieser immer weiter fortbewegte vom Ziel der Weltrevolution und zu einem etablierten Staat im internationalen Gefüge wurde, der sich lediglich durch seine innere Struktur und seine Staatsideologie von anderen Großmächten unterschied. Dieser Fokus liefert eine neue Sichtweise auf die beschriebene Epoche der sowjetischen Außenpolitik und ergänzt somit die bisherige Forschung, die sich vor allem mit der Zielsetzung der stalin’schen Außenpolitik sowie deren inneren Strukturen beschäftigt, um eine neue Perspektive.

Vorgeschichte

Auch wenn die Anfänge der sowjetischen Außenpolitik in den 20er Jahren nicht mehr in den in dieser Arbeit betrachteten Zeitraum fallen, so ist es doch sinnvoll, in einigen wenigen Sätzen zwar nicht die Ausgangslage der sowjetischen Politik, doch zumindest die für das Thema der Arbeit wichtigen Aspekte zu umreißen. Diese sind vor allem die diplomatische bzw. völkerrechtliche Anerkennung der Sowjetunion als Staat bzw. der Bolschewiki als rechtmäßige Regierung und das Litvinov-Protokoll, also das vorläufige Inkrafttreten des Briand-Kellog-Paktes zwischen der UdSSR und seinen europäischen Nachbarstaaten als ersten Schritt zu einer Eingliederung in das Staatengefüge.

Die diplomatische Anerkennung

Spätestens nach dem Scheitern des Aufstandes der KPD im deutschen Reich im Jahre 1923, dem ‚deutschen Oktober‘, stand die Führung der Bolschewiki vor einem scheinbar unlösbaren Problem: in keinem anderen Staat der Welt[2] hatten Kommunisten die Macht erringen können, die von Marx beschworene Weltrevolution hatte nur in Russland gesiegt, ausgerechnet im unindustrialisiertesten und deshalb laut Marx dafür ungeeignetsten aller europäischer Staaten[3]. Nach dem Scheitern der Revolution in Deutschland 1918/19, auf der die größten Hoffnungen gelegen hatten, nahmen die Bolschewiki zu ebenjenem Staat Kontakt auf, allerdings nicht wie erhofft mit ihren deutschen Genossen, sondern mit einer bürgerlichen Regierung. Der 1922, also ein Jahr vor dem vorerst letzten Revolutionsversuch, abgeschlossene Vertrag von Rapallo normalisierte die Beziehungen zwischen den beiden aus dem Völkerbund ausgeschlossenen und international isolierten Staaten.[4]

Da 1923 für die Bolschewiki die erhoffte Weltrevolution vorerst weit entfernt schien, musste ein Ausweg aus dem dauerhaften Dilemma gesucht werden. „Ein modus vivendi musste deshalb gefunden werden, der es unter diesen Umständen ermöglichte, dauerhaft ein Nebeneinander von sozialistischem und kapitalistischem System, eine Art ‚friedliche Koexistenz‘, zu gewährleisten.“[5] Der Schlüssel dazu war die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit Großbritannien im Jahre 1924, was eine ganze Folge von Anerkennungen anderer Staaten zur Folge hatte.[6]

Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen war nicht allein aufgrund der damit verbundenen Aufhebung der internationalen Isolierung von Nutzen, sondern diente vor allem der wirtschaftlichen Entspannung und schaffte einen Zugang zu den für die Neuordnung der Wirtschaft im Rahmen der NEP (=Neue Ökonomische Politik) nötigen Waren.[7]

Während diese Wirtschaftsbeziehungen weiter ausgebaut wurden, kam es im Laufe der 20er Jahre zu immer größeren Spannungen zwischen der UdSSR und den westlichen Mächten, was schließlich nach Schauprozessen gegen britische Spezialisten in der UdSSR 1927 zum vorläufigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit London durch die konservative britische Regierung führte.[8]

Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit London 1929 war vor allem durch die sowjetische Industrialisierung und die Weltwirtschaftskrise begründet. Die britische Verhandlungsseite sah sich bereit, Stalins Forderung nach einer sofortigen Wiederanerkennung nachzugeben und angesichts der Lage der eigenen Wirtschaft in der Krise[9] über das noch immer ungeklärte Schuldenproblem zwischen den beiden Staaten[10] hinwegzusehen. Die diplomatischen wie wirtschaftlichen Beziehungen mit der UdSSR wurden also wiederaufgenommen, was von deren Seite her wie gesagt vor allem unter dem Gesichtspunkt der Industrialisierung und der dafür benötigten westlichen Güter und Investitionen vorangetrieben wurde.[11] Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten blieben dennoch überaus angespannt, was ein Vorfall im Jahre 1933 zeigt, als mehrere britische Angestellte von Metro-Vickers in der UdSSR festgenommen und der Spionage und Sabotage angeklagt wurden, was eine neue anti-sowjetische Kampagne in Großbritannien hervorrief und ein Handelsembargo gegen sowjetische Güter zur Folge hatte.[12]

Die wichtigste nun noch fehlende Anerkennung, nämlich durch die USA, erfolgte 1933 und stellte einen der größten diplomatischen Erfolge des sowjetischen Außenkommissars Litvinov und des NKID[13] dar[14]. Jedoch dauerten die guten Beziehungen nicht lange an, und auch der von amerikanischer Seite erhoffte Export-Boom in die UdSSR, für den eigens die Export-Import-Bank gegründet worden war, blieb aus.[15]

Der erste und in gewisser Weise damit wichtigste Schritt hin zur Etablierung der UdSSR als „Staat unter Staaten“ und zu ihrer Einführung in das internationale Mächtesystem, die diplomatische Anerkennung als Nachfolgestaat des Zarenreiches, war also einerseits stark von Wirtschaftsinteressen dominiert, was die schlechten Beziehungen zu London, aber auch Washington zeigen, und löste in gewisser Weise das Grundproblem der russischen Kommunisten nach dem Scheitern der Revolution vor allem in Deutschland, indem sie dem ersten und vorerst einzigen sozialistischen Staat der Erde die Möglichkeit bot, in einen ‚modus vivendi‘ mit den kapitalistischen Staaten einzutreten.

Das Litvinov-Protokoll

Das 1929 von der UdSSR, Polen, Rumänien, Lettland, Estland, etwas später auch von Litauen und der Türkei unterzeichnete Abkommen, das den Verzicht auf Gewalt in zwischenstaatlichen Konflikten bedeutete, kann als erster Schritt hin zu Litvinovs „System der kollektiven Sicherheit“ gesehen werden und wird stets als sein erster großer Erfolg angesehen. Ohne auf die genauen Hintergründe des Vertrages einzugehen, wie dies beim Eintritt in den Völkerbund gemacht werden wird, liefert der Vertrag doch ein bedeutendes Ergebnis für diese Arbeit.

Wichtig im Zusammenhang mit diesem Pakt ist die viel beschriebene Kriegsangst Stalins und generell großer Teile der Parteiführung am Ende der 20er Jahre. Ein Vertrag mit den europäischen Nachbarstaaten zum gegenseitigen Gewaltverzicht kann somit als Reaktion auf die Angst vor der Einkreisung und einem antikommunistischen Kreuzzug gesehen werden.[16]

Die Initiative des neuen Außenkommissars Litvinovs[17] zum vorläufigen Inkrafttreten des Briand-Kellogg-Paktes ist nicht nur von sicherheitspolitischer Relevanz, sondern stellt auch den ersten Kontakt mit Rumänien und Polen, also den Staaten des französischen Bündnissystems her. Mit Rumänien bestanden vormals keine diplomatischen Beziehungen aufgrund der ungelösten Bessarabien-Frage, und damit war auch der Kontakt zur „Kleinen Entente“ (Rumänien, Tschechoslowakei und Jugoslawien) zuvor unmöglich gewesen. Litvinovs Verdienst besteht also nicht nur in der Etablierung eines Sicherheitssystems, sondern auch in der Durchbrechung der internationalen Isolierung und einem ersten Schritt in Richtung des späteren Paktes mit Frankreich und der Tschechoslowakei, denn man hatte in Moskau eingesehen, „dass der Weg nach Warschau [als damaligem Hauptziel der europäischen Sicherheitspolitik der UdSSR] zu jener Zeit noch über Paris führen musste.“[18]

Dem Abschluss des Litvinov-Protokolls folgten die Paraphierung eines Nichtangriffspaktes mit Frankreich im August 1931 und anschließend die gewünschten Nichtangriffspakte mit Finnland, Estland und vor allem mit Polen. Mit der Unterzeichnung des Nichtangriffspaktes mit Frankreich 1932 wurde ein „Frontwechsel zu einer antirevisionistischen Politik vollzogen und eine neue internationale Konstellation in Mitteleuropa vorbereitet.“[19]

Entscheidend für das Thema der Arbeit sind vor allem zwei Punkte: die Initiative für das Litvinov-Protokoll und die Nichtangriffspakte gingen von sowjetischer Seite aus und zeigen somit das Bedürfnis nach Sicherheit des sowjetischen Staates als vordergründiges außenpolitisches Ziel. Zudem kommt es zu einer Akzeptanz des vorher so verhassten Versailler Systems, zu einer Annäherung an die Staaten des „Cordon Sanitaire“ und damit letztlich auch an Frankreich, also dem späteren Partner von 1935.

Das Konzept des „Sozialismus in einem Land“

Die Idee bzw. das Konzept des „Sozialismus in einem Land“ existiert offiziell zwar erst ab 1926, jedoch beschreibt es Stalins Vorstellungen bereits vor dem Tode Lenins recht gut. Bereits 1924 hatte er diesen Gedanken zum ersten Mal formuliert. Isaac Deutscher stellt den Prozess der Entwicklung dieser Theorie in seiner Stalin-Biographie jedoch als reine Abgrenzung zu Trockijs Konzept der „Permanenten Revolution“ und Stalin als in dieser Frage im Grunde zunächst unentschlossen dar, was sich in einer Broschüre Stalins noch Anfang 1924 zeige, in der er feststelle, „dass das Proletariat zwar in einem bestimmten Lande die Macht an sich reißen könne, dass es aber keine sozialistische Wirtschaft in diesem eigenen Lande schaffen könne.“[20] Der Umschwung hin zum Konzept des „Sozialismus in einem Land“ bedeutete also die angestrebte Verwirklichung des Ziels der sozialistischen Wirtschaft als Wirtschaft des Überflusses durch eine Industrialisierung innerhalb der UdSSR, die für Stalin aufgrund der Kontrolle der proletarischen Regierung über Industrie und Banken und die natürlichen Reserven des Landes möglich sei. Da Marx‘ Analysen sich in der Praxis nicht bewahrheiteten, die Revolution setze sich in den fortschrittlichsten und am weitesten industrialisierten Staaten durch und ermögliche durch die Nutzung dieser Industrie durch eine proletarische Herrschaft den Kommunismus, mussten diese Voraussetzungen eben nun mit eigenen Anstrengungen geschaffen werden.[21]

In einer Rede vom 9. Juni 1925 schließlich spricht Stalin über die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande. Darin stellt er den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR nicht nur als durchführbar, sondern als „notwendig und unausbleiblich“ dar. Zwar gesteht er zu, dass der bereits angelaufene sozialistische Aufbau durch den „Sieg des Sozialismus im Westen“ erleichtert würde, jedoch werde dieser Sieg nicht so schnell erreicht. Der Erfolg der Errichtung einer sozialistischen Wirtschaft hänge dabei von der „Stärke bzw. Schwäche unserer Feinde und unserer Freunde außerhalb unseres Landes ab.“ Nur wenn die „Periode der ‚Atempause‘“ verlängert werden könne und es zu keiner Intervention komme bzw. diese erfolgreich abgewehrt werden könne, könne das Projekt Erfolg haben.“[22]

Das Verwerfen von Trockijs Konzept der „permanenten Revolution“ und der Fokus auf den wirtschaftlichen Aufbau ist nicht nur für das weitere Selbstverständnis des ersten sozialistischen Staates als ‚sowjetischer Nationalstaat‘ mit einer vorerst nicht auf Weltrevolution, sondern auf Konsolidierung ausgerichteten Außenpolitik immanent, sondern bildet auch die Grundlage für die Eingliederung der UdSSR in die internationale Staatengemeinschaft. Zwar schwor auch Stalin dem Endziel der Weltrevolution nicht ab, und durch die Komintern und die Kontakte zu den KP anderer Staaten besaß die sowjetische Außenpolitik in den 30er Jahren trotzdem noch eine internationalistische Komponente, jedoch ermöglichte die neue Zielsetzung, – nicht zuletzt durch die Botschaft, die die neue Losung an die kapitalistischen Staaten sandte – den Kontakt mit im Grunde genommen feindlichen Staaten aufzunehmen und schuf dadurch auch die Voraussetzung für die unter anderem von Stalin in seiner Rede geforderte „Atempause“.

Mit dem Konzept des „Sozialismus in einem Land“ sind aber wie oben dargestellt nicht nur die Aufschiebung der Revolution und die Ausrichtung der sowjetischen Außenpolitik verbunden, sondern vor allem die gewaltigen inneren Umwälzungen, die sogenannte „Revolution von oben“. Konkret sind damit also die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Industrialisierung gemeint, die im Rahmen des ersten Fünf-Jahresplans vorangetrieben wurden und eng verbunden waren mit den Repressionen gegen die sowjetische Bevölkerung. Letztendlich festigten diese Maßnahmen, der sowjetische ‚große Sprung nach vorne‘, nicht nur Stalins Macht, sondern auch die des sowjetischen Staates insgesamt, festigen somit auch das Konzept des sowjetischen ‚Nationalstaates‘ und ermöglichen die spätere Hegemonie über die anderen Staaten des Warschauer Paktes.

Der Eintritt in den Völkerbund

Ziele und Konzeption des Eintritts in den Völkerbund

Zunächst soll nun der Frage nachgegangen werden, welche Ziele hinter dem Eintritt in den Völkerbund standen und somit ein erster Entwurf der Zielsetzung bzw. der Konzeption der sowjetischen Sicherheitspolitik ausgearbeitet werden, der im folgenden Kapitel über den Pakt mit Frankreich, erweitert werden soll.

Jonathan Haslam betont in seiner Analyse des sowjetischen Bestrebens nach einem System der kollektiven Sicherheit in Europa in den 30er Jahren die sowjetische Kriegsangst als entscheidenden Faktor für den Eintritt in den Völkerbund.[23] Der Frieden war in seiner Lesart nicht allein Voraussetzung für das Fortbestehen des sowjetischen Staates bzw. Systems insgesamt, sondern insbesondere für die Industrialisierung. Der erste Fünf-Jahresplan war zwar bis 1932 in nur vier Jahren vorläufig beendet worden, jedoch war dies erst der erste Schritt des Wandels vom Agrar- zum Industrieland, also einem der großen Ziele der stalin’schen Politik und wie bereits dargestellt ein wichtiger Teil der ‚Staatswerdung‘ im Zusammenhang mit dem Konzept des „Sozialismus in einem Land“. Da bis 1938 Probleme bei der Mobilisierung auftraten und die Industrialisierung im Bereich der Rüstung erst langsam Erfolge zeigte, wurde von Litvinov ein System propagiert, in dem durch gegenseitige Absicherung der Existenz des anderen, also Nichtangriffspakte mit anderen Staaten sowie eine Forcierung der internationalen Abrüstung, die Existenz der UdSSR als unabhängiger Staat gesichert werden könne.[24]

Die Annäherung an den Westen war in wirtschaftspolitischer Hinsicht jedoch nicht allein deshalb wichtig, weil somit der für die Industrialisierung notwendige Frieden länger aufrechterhalten werden konnte, sondern vor allem brauchte die sowjetische Wirtschaft Ausrüstung und Güter aus dem Westen, wofür die Weltwirtschaftskrise aus sowjetischer Sicht die Voraussetzung war.[25]

Neben der wirtschaftlichen Situation ist aber auch die internationale Situation bzw. das Mächtegerüst 1933/34 wichtig für das Verständnis der Beweggründe und Ziele des Eintritts in den Völkerbund bzw. das dahinter stehende sicherheitspolitische Konzept. Natürlich nimmt Deutschland hierbei eine Sonderrolle, wenn nicht gar die alles entscheidende Rolle ein. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 stellt ein einschneidendes Ereignis für die sowjetische Außen- und Sicherheitspolitik dar. Zwar betonte Hitler Anfang 1933 mehrmals, er wolle die Beziehungen zur UdSSR nicht verändern, jedoch wurde nach einigen Monaten das Ende der Rapallo-Beziehungen deutlich, worauf gleich näher eingegangen wird. Ein erstes Anzeichen hierfür stellen zum Beispiel die Übergriffe auf sowjetische Botschaften und Handelsvertretungen dar.[26]

Die Forschung liefert mehrere mehr oder weniger konträre Thesen bezüglich des deutsch-sowjetischen Verhältnisses nach 1933. Umstritten ist, wie stark die sowjetischen Bemühungen um eine Annäherung an Deutschland nach dem mehr oder weniger sichtbaren Bruch 1933 waren, der durch den Abschluss des deutsch-polnischen Nichtangriffspakts 1934 seinen deutlichsten Ausdruck fand.[27] Eine Reihe von westlichen Historikern widersprach der offiziellen sowjetischen Geschichtsschreibung, die in der sowjetischen Außenpolitik der 30er Jahre ein ernsthaftes und aufrechtes Vorgehen gegen die deutsche Aggression sahen. Aus Sicht dieser Historiker[28] „[…] the real foreign policy of the USSR is not to be found in the impassioned speeches of Litvinov at Geneva, but rather in the covert contacts with Berlin by Karl Radek, David Kandelaki, Sergei Bessonov and others. In this light, the Nazi-Soviet Pact is seen not as a regrettable alternative necessitated by the failure of the Collective Security campaign, but as the ultimate achievement of the real aim of that campaign.”[29]

Der eben zitierte Teddy Uldricks sieht das Verhältnis zu den faschistischen Staaten weder als Abwendung aus ideologischen Gründen noch als geheime Diplomatie zwecks der Vorbereitung eines gemeinsamen Paktes oder Bündnisses. Den oft nicht ganz eindeutigen Charakter der sowjetischen Außenpolitik der 30er Jahre macht er am Beispiel der Politik gegenüber Japan deutlich: „Soviet policy in that arena contained both measures of resistance to Japanese aggression and elements of appeasement of Tokyo. The USSR shipped considerable military aid to Nationalist China, but refused to sign a mutual assistance pact with Nanking; it massively reinforced the Sino-Soviet Border, but also sold the Chinese Eastern Railway to Japan.“[30] Aber auch im Falle Italiens widerlegt er einen konsequenten Antifaschismus der sowjetischen Politik, ebenso wie beim vorläufigen Ende der guten Beziehungen mit Deutschland, das nicht etwa in einer – moralisch bzw. ideologisch begründeten – Abwendung vom Nationalsozialismus begründet liegt, sondern in der Zurückweisung der sowjetischen Angebote durch Berlin. Die Autorisierung der neuen Strategie der „Kollektiven Sicherheit“ erfolgte demgemäß auch erst am 20. Dezember 1933.[31] Die bereits erwähnten Geheimkontakte und die damit verbundene Kritik an der traditionellen sowjetischen Deutung bzw. Geschichtsschreibung leugnet er zwar nicht, gewährt ihnen aber keinen so großen Stellenwert wie die oben erwähnten Historiker, vor allem aufgrund des gewaltigen personellen Unterschiedes: „The problem with this contention is that three unoffficial and tentative feelers [gemeint sind damit die Geheimkontakte Radeks, Kandelakis und Bessonovs mit Berlin] can scarcely tip the scales against the weight oft he Collective Security campaign pursued with vigour from late 1933 to 1939.“[32]

Ebenso wie ins Uldricks Analyse enden auch für den bereits mehrfach zitierten George Haslam die deutsch-sowjetischen Beziehungen 1933 vorerst und sind der Hauptgrund für die Hinwendung zum Westen: „Ultimately, and despite the oppostion aroused in Moscow at the mention of any dramatic change, it was growing German hostility that drove the USSR in a direction that many mistrusted.“[33] Das Ende der guten Beziehungen stellt in seiner Analyse eine Rede Hugenbergs auf der Weltwirtschafskonferenz am 14. Juni 1933 dar, bei der er deutschen Lebensraum im Osten und gleichzeitig ein Ende der Lebensbedingungen in der UdSSR forderte. Kurz darauf wird die am 20. Juni des Jahres verstorbene Clara Zetkin medienwirksam auf dem Roten Platz beigesetzt und die militärische Zusammenarbeit im Rahmen des Rapallo-Vertrages beendet.[34]

Das Ende der Rapallo-Politik ist für die sowjetische Außenpolitik von enormer Bedeutung. Von Lenin entworfen, stellte sie einen der Grundpfeiler der Außenpolitik bis zum Machtwechsel in Deutschland 1933 dar. Interessanterweise nimmt die Politik der beiden ehemaligen Rapallo-Partner bezüglich des internationalen Systems die genau entgegengesetzte Richtung an. Während Hitler 1933 aus dem Völkerbund austritt, entschließt sich die UdSSR dazu, die internationale Isolation zu durchbrechen und ins internationale Staatengefüge einzutreten.

Die Verhandlungen

Nachdem nun die Motive der sowjetischen Führung für einen Eintritt in den Völkerbund als wichtigstes Zeichen einer Annäherung an den Westen und eine Einbindung in das internationale Mächtesystem beschrieben wurden, ist es nun auch wichtig, die vorhergehenden Verhandlungen zu betrachten. Dabei fällt zunächst auf, dass die Aufnahme in den Völkerbund mit dem sowjetischen-französischen Pakt des Jahres 1935 parallel verläuft. Wie im folgenden Kapitel über diesen Pakt soll hier nun anhand einiger ausgewählter Quellen der Quellensammlung „Politbjuro ZK RKP(b) – BKP(b) i Evropa. Reschenie ‚osoboj papki‘ 1923-1939“, also einer Aktensammlung aus den Sondermappen des Politbüros, die Aufnahme in den Völkerbund näher beleuchtet werden, um so diesen für diese Arbeit eminenten Punkt besser zu verstehen.

Nachdem in den ersten Jahren nach 1930 vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen mit England, Frankreich, Deutschland und Italien im Zusammenhang der beschriebenen Materiallieferungen und Investitionen für die sowjetische Industrialisierung die Politbürobeschlüsse zur Europapolitik dominieren, findet sich in diesen sogenannten „Sondermappen“ auch die Zustimmung zum schließlich gescheiterten Projekt eines „Pan-Europa“, also ein erster Versuch der Eingliederung in ein internationales System. Dieses Projekt ging vom französischen Außenminister Briand aus und war kurz ausgedrückt die Idee einer föderalen Vereinigung der europäischen Völkerbundsmitglieder. Obwohl die UdSSR und die Türkei somit von dem Projekt ausgeschlossen wurden, gab es einen deutsch-italienischen Vorschlag, diese beiden Nationen trotzdem in die Verhandlungen mitaufzunehmen.[35] Die sowjetische Führung stimmte der Teilnahme an der entsprechenden Kommission am 10. April 1931 zu.[36] Obwohl das Projekt letztendlich scheiterte, zeigt es doch die sowjetische Bereitschaft, nach dem Litvinov-Protokoll einer Einbindung in ein gesamteuropäisches System zuzustimmen, auch wenn hierbei die Initiative nicht von der sowjetischen Seite aus ging.

Wie bereits dargestellt, kann man die sowjetisch-französische Annäherung und die Aufnahme in den Völkerbund nicht voneinander trennen. Die beiden Seiten hatten bereits 1932 wie bereits erwähnt einen Nichtangriffspakt abgeschlossen und ab August 1933 regelte ein geheimes französisch-sowjetisches Protokoll die Wirtschaftsbeziehungen und erlaubte französische Kredite für den Ankauf französischer Industriegüter zum Zwecke der bereits erwähnten Industrialisierung sowie der Ankurbelung der krisengeschüttelten französischen Wirtschaft.[37] Die Zusammenarbeit erhält jedoch 1933 durch den Machtwechsel in Deutschland eine neue Qualität.

Davon zeugt ein Dokument vom 19. Dezember 1933, worin dem Polpred[38] in Frankreich, Valerian Saveljevič Dovgalevskij, Direktiven für die Antwort an den französischen Außenminister Paul-Boncour gegeben werden. Dieser hatte nach dem deutschen Völkerbundsaustritt im Oktober 1933 Dogalevskij über die Möglichkeit einer gemeinsamen Zusammenarbeit der beiden Staaten informiert. Die französische Seite bestand jedoch auf dem Abschluss eines Paktes im Rahmen des Völkerbundes.[39] Laut des Dokuments sollte Dovgalevskij der französischen Seite unter anderem mitteilen, die UdSSR sei einverstanden mit einer Aufnahme in den Völkerbund, mit dem Abschluss einer regionalen Vereinbarung über gegenseitige Verteidigung im Falle eines Angriffs Deutschlands und mit der Aufnahme von Belgien, Frankreich, der Tschechoslowakei, Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland oder einiger dieser Staaten in diesen Pakt, aber auf jeden Fall von Frankreich und Polen. Außerdem sollten sich die Vertragsparteien unabhängig von den Bestimmungen der Abmachung verpflichten, sich gegenseitig diplomatisch, moralisch und wenn möglich materiell zu helfen bei einem Angriff, den der Vertrag nicht einschließt.[40] Am 18. September 1934 kam es dann schließlich zur offiziellen Aufnahme in den Völkerbund. Ein weiterer Schritt aus der Isolierung war gegangen.

Die Verbindung der beiden Punkte, dem Eintritt in den Völkerbund und dem Pakt mit Frankreich, macht ein Schreiben eines 1934 in der französischen Botschaft in der UdSSR arbeitenden Paillards[41] an Litvinov deutlich, in dem er ihn an die unauflösliche Verbindung der Aufnahme in den Völkerbund und der sich in Verhandlung befindenden Pakte erinnert.[42]

Deshalb soll im nächsten Kapitel diese Betrachtung fortgesetzt werden und anschließend ein gemeinsames Ergebnis in Bezug auf das Thema der Arbeit und die ihr zugrunde liegende These formuliert werden.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Analyse des Eintritts in den Völkerbund ist wohl, dass die Aufnahme in den Völkerbund zwar den sowjetischen Sicherheitsinteressen diente und sie die auf Wirtschaftskontakte mit dem Westen basierende Industrialisierung – also das wohl wichtigste Projekt der Sowjetführung – sicherte, die Initiative zur Aufnahme in den Bund – also nicht mehr nur der Teilnahme von sowjetischen Vertretern bei Abrüstungsverhandlungen in Genf – von Frankreich aus ging, was wiederum nur aus dem Machtwechsel in Deutschland und dem damit verbundenen deutschen Austritt aus dem Völkerbund resultierte.

Bündnisse mit kapitalistischen Staaten

Freilich ist das Bündnis bzw. der Pakt mit Frankreich und der Tschechoslowakei von 1935 nicht die erste Annäherung an einen kapitalistischen Staat, denkt man an den Vertrag von Rapallo von 1922 mit dem Deutschen Reich, der die beiden „Außenseiter“ im internationalen System, die beiden aus dem Völkerbund ausgeschlossenen Staaten einander annäherte. Jedoch beschränkte sich dieser Vertrag auf die Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Selbst wenn man die militärische Zusammenarbeit dazurechnet, die im Rahmen dieses Vertrages stattfand, gleicht dieser Vertrag nicht dem militärischen Pakt für gegenseitige Hilfe, der 1935 mit Frankreich abgeschlossen wurde. Dieser Pakt ist also ein Novum in der sowjetischen Geschichte und stellt somit auch nach dem Eintritt in den Völkerbund eine wichtige Kehrtwende dar: zum ersten Mal geht die kommunistische Sowjetunion ein militärisches Bündnis mit zwei kapitalistischen Staaten ein. Dies kann man als einen der wichtigsten Schritte hin zur Etablierung der UdSSR im internationalen System ansehen, da das Bündnis mit kapitalistischen Regierungen im Grunde aus revolutionärer Sicht einen Widerspruch darstellte. Nicht nur, dass die sowjetische Führung im Völkerbund und auf diplomatischem Wege Kontakt zu den kapitalistischen Staaten aufnahm, nun befand sie sich im offenen Bündnis mit diesen.

Zunächst soll die Vorgeschichte des Paktes betrachtet werden, die die Bemühungen der Sowjetregierung um ein festes sicherheitspolitisches Bündnis aufzeigt und schließlich das Ergebnis dieser Verhandlungen, der Pakt von 1935, betrachtet werden.

Das Projekt „Ostpakt“

Wie bereits bei der Analyse des Dokuments vom 19. Dezember 1933 deutlich wurde, war der Pakt mit Frankreich und der Tschechoslowakei, wie er 1935 abgeschlossen wurde, nicht als Pakt zwischen explizit diesen drei Staaten geplant gewesen, sondern entwickelte sich gewissermaßen aus Gesprächen bzw. Verhandlungen über einen Regionalpakt in Europa, die wie gesehen von 1933 bis 1935 andauerten.

Wichtig für die Analyse der sowjetisch-französischen Verhandlungen ist zunächst eine Rede Stalins auf dem 17. Parteikongress im Januar 1934, in der er sowohl eine Orientierung auf Deutschland als auch eine Orientierung auf Polen und Frankreich verneint. Die Orientierung in der Vergangenheit und in der Gegenwart liege allein auf der UdSSR. Noch am Tag der Rede bezeichnete die Direction politique des französischen Außenministeriums die Aussage, Paul-Boncour strebe einen Beistandspakt an, als falsch.[43] Dass Frankreich dennoch vorerst die einzig verbliebene Macht für ein Sicherheitsbündnis in Europa war, wurde nach der Zurückweisung eines sowjetischen Vorschlags der beiderseitigen deutsch-sowjetischen Erklärung der Unabhängigkeit der baltischen Staaten durch Berlin klar: „Having once more tested the water to see whether Rapallo could be resurrected in some form, the Russians recoiled from Berlin, aware that the French option was all that was now open to them.“[44] Und tatsächlich kam im April die französische Zustimmung zu weiteren Verhandlungen. Die Schwierigkeiten lagen nun darin, dass die sowjetische Seite Paris dazu bringen wollte, ganz Osteuropa in den Pakt miteinzubeziehen. Die Franzosen wollten dagegen ihre Verpflichtungen so gering wie möglich halten und widerriefen ihre zu Beginn der Verhandlungen gemachte Zusage, die baltischen Staaten in den Pakt aufzunehmen, aufgrund ihres Verbündeten Polen.[45]

Im Juni 1934 stimmt die sowjetische Führung dann dem britischen Wunsch zu, in die Planungen um das Projekt „Ostpakt“ – im westlichen Sprachgebrauch auch als „östliches Locarno“ bezeichnet – sowie in die bilateralen Verhandlungen zwischen der UdSSR und Frankreich auch Deutschland einzuschließen.[46]

Das Scheitern des Projektes „Ostpakt“ liegt schließlich auch in der deutschen und polnischen Absage begründet. Bereits Ende September 1934 wurde deutlich, dass sich der deutschen Absage auch die polnische Regierung anschließen werde, um die polnisch-deutschen Abmachungen, also konkret den im Januar desselben Jahres abgeschlossenen bereits erwähnten Nichtangriffspakt zwischen den beiden Staaten, nicht zu gefährden.[47] Als Reaktion auf diese negative Haltung der deutschen und polnischen Regierung zu dem geplanten Pakt beschloss das Politbüro schließlich am 23. November 1934, die Gespräche auch ohne Deutschland und Polen weiterzuführen, auch wenn die Initiative dazu nicht überhastet geschehen solle.[48]

Gerade die Bereitschaft, wenn auch nicht Initiative, Deutschland in ein Sicherheitssystem einzubinden, zeigt, dass die Zielsetzung der sowjetischen Außenpolitik in den Jahren 1933 bis 1935 nicht etwa allein auf der Ausgrenzung des potentiellen deutschen Aggressors lagen, sondern die Aufrechterhaltung des Friedens und damit des Systems von Versailles in Europa das oberste Ziel darstellte. Dafür war die sowjetische Führung bereit, Sicherheitspakte nicht nur mit kapitalistischen Staaten, sondern auch mit dem nationalsozialistischen Deutschland einzugehen bzw. sah diese Pakte als Teil des „Systems der kollektiven Sicherheit“ an und förderte sie.

Der Pakt mit Frankreich und der Tschechoslowakei 1935

Kurz nach der erwähnten Absage der deutschen und polnischen Seite an das Projekt „Ostpakt“ kam auf die sowjetischen Verhandlungsführer eine weitere Herausforderung zu: Das Attentat auf den französischen Außenminister Barthou am 9. Oktober 1934 in Marseille bedeutete zunächst einen Rückschlag für die Verhandlungen um den Beistandspakt, da Barthous Nachfolger Pierre Laval ein Abkommen mit Deutschland als für den Frieden in Europa überaus wichtig erachtete, worunter die Gespräche mit Moskau über den nun um Deutschland und Polen reduzierten Pakt deutlich litten.[49]

Im zuletzt betrachteten Dokument vom 23. September 1934 wurde bereits die sowjetische Zustimmung dazu deutlich, den geplanten Sicherheitspakt auch ohne Deutschland und Polen durchzuführen, dies jedoch nicht zu überstürzen. Nur ein paar Tage später schließlich, am 02. November, wurde vom Politbüro auf Anfrage des NKID entschieden, auch einen kleineren Pakt abzuschließen, also ohne Berlin und Warschau, wenn Frankreich und die Tschechoslowakei oder auch nur Frankreich dem zustimmten.[50]

Was auf diese Entscheidung folgte, war eine längere, mehrere Monate lang andauernde Phase, in der das Projekt nicht recht vorankam, da Paris versuchte, die Zusagen an Moskau möglichst gering zu halten. Schließlich wurde ein Kompromiss geschlossen und der Pakt am 2. Mai 1935 unterzeichnet. Dem folgte am 16. Mai die Unterzeichnung des sowjetisch-tschechoslowakischen Paktes, der sich nur in dem Punkt von dem französisch-sowjetischen Pakt unterschied, dass die Hilfe für die Tschechoslowakei oder die UdSSR durch die jeweils andere Vertragspartei davon abhing, ob Frankreich zuerst handelte bzw. wie Frankreich sich entschied zu handeln.[51] In Moskau wurde der Pakt mit Frankreich mit großem Unmut aufgefasst und bei vielen als Enttäuschung empfunden.

Jonathan Haslam, dessen Analyse der sowjetischen Bemühungen um ein System der kollektiven Sicherheit für die Analyse der Verhandlungen um den Pakt mit Frankreich in dieser Arbeit neben der Betrachtung einiger weniger Akten des Politbüros die Grundlage bildet, schließt das Kapitel über den Pakt mit Frankreich mit folgender These: „Instead of removing Soviet anxieties, the signature of the pact only whetted the Soviet appetite for further guarantees; thus the pact did not substitute for attempts to revive Rapallo. Instead it became a bargaining counter held in reserve for future negotiations with Berlin.“[52]

Der Abschluss des sowjetisch-französischen Paktes für gegenseitige Unterstützung war also keineswegs ein von beiden Seiten gleichermaßen gewolltes und mit gleicher Energie und den gleichen Zielen vorangebrachtes Projekt. Vielmehr zeigt die Geschichte der Verhandlungen um den Pakt, dass sich die sowjetische Sicherheitspolitik nach dem Machtwechsel in Deutschland nicht nur auf die Eingliederung in das internationale Mächtesystem, also den Völkerbund, stützte, sondern eine Partnerschaft mit einem der stärksten kapitalistischen Staaten als Sicherheitsgarant für die Verhinderung eines antikommunistischen Kreuzzuges und des Aufbaus des „Sozialismus in einem Land“ angestrebt wurde, was jedoch wiederum von französischer Seite aus nur durch den Eintritt in den Völkerbund möglich war.

Selbstdarstellung der UdSSR nach außen

Litvinovs Reden im Völkerbund

Die Selbstdarstellung der UdSSR nach außen hin geschieht neben den Botschaftskontakten zu einem hohen Grad durch die Institution des Völkerbundes. Bereits vor dem Eintritt in denselben 1934 konnten sowjetische Delegationen an vom Völkerbund einberufenen Konferenzen teilnehmen[53]. In den frühen 20er Jahren entsprechen die offiziellen Äußerungen sowjetischer Politiker jedoch der negativen sowjetischen Auffassung des Völkerbundes als „Koalition von Kapitalisten“.[54]Ab 1927 ist im Zusammenhang mit der anfangs beschriebenen Öffnung nach Westen auch eine Annäherung an den Völkerbund erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt trat die UdSSR auch der „Vorbereitenden Kommission für die Abrüstungskonferenz“ bei, was Litvinov, damals an der Spitze der sowjetischen Delegation, die erste Möglichkeit bot, wortgewandt für Frieden und Abrüstung zu werben und ein positives Bild der Sowjetunion zu zeichnen.[55] Diese Bemühungen werden teilweise natürlich durch die oben erwähnten Prozesse gegen ausländische Ingenieure und die außenpolitische Wirkung der antikapitalistischen Propaganda zunichte gemacht. Dennoch gelingt es, zumindest in Frankreich die antikommunistische Einstellung vieler Politiker zumindest abzuschwächen und nach der Kontaktaufnahme mit den meisten westlichen Staaten sich selbst so gut darzustellen, dass ein Pakt und eine Aufnahme in den Völkerbund möglich werden. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass die Losung des „Sozialismus in einem Land“ auch eine starke außenpolitische Wirkung besaß und eine friedliche Koexistenz, also auch Kooperation zwischen kapitalistischen Staaten und der sozialistischen UdSSR ermöglichte.

Nach dem Eintritt in den Völkerbund kann Litvinov wie bereits erwähnt in den Sitzungen des Völkerbundrates durch seine Reden das Bild der friedliebenden Sowjetunion ausbauen und seine Ideen des unteilbaren Friedens und des Systems der kollektiven Sicherheit verbreiten. Die geringe Wirkung von Litvinovs Appellen, „sich zum Schutze der Unabhängigkeit der Bundesmitglieder und gegen eine Ausbreitung der faschistischen Aggression zusammenzuschließen“ [56], am sichtbarsten an der Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft im spanischen Bürgerkrieg oder in der Abessinien-Krise, kann eine Erklärung sein für den nächsten Schritt der Annäherung an den Westen, die neue Verfassung von 1936.[57]

Stalin-Verfassung 1936: Annäherung durch „Assimilation“

Der Beschluss der neuen Verfassung fand ein Jahr nach Unterzeichnung des Paktes mit Frankreich statt, die Ausarbeitung wurde bereits kurz zuvor, am 6. Februar, beschlossen.[58] Nachdem der Pakt wie gezeigt am Ende nicht ganz den sicherheitspolitischen Vorstellungen der sowjetischen Führung entsprochen hatte, kann man die neue Verfassung als weiteren Annäherungsversuch an den Westen sehen. Die Bedrohung durch Japan in der Mandschurei und das nationalsozialistische Deutschland hatte durch den 1936 zwischen diesen Staaten abgeschlossenen Antikomintern-Pakt noch zugenommen, vor allem durch die während der Verkündung des Paktes durch die Führer der Achsenmächte stattfindenden Zusammenstöße an der sowjetisch-japanischen Grenze.[59]

Der neue, scheinbar demokratische und liberale Charakter der neuen Verfassung liegt vor allem in der starken Rolle des Parlaments, des Obersten Sowjets, begründet. Zudem tritt der starke Föderationscharakter der Union zutage. Den sowjetischen Bürgern wird das Wahlrecht und auch andere demokratische Rechte zugesprochen. Die politische Realität wird jedoch im Artikel 126 widergespiegelt, in dem es heißt, dass sich die Bürger in der Kommunistischen Partei vereinigen können, die „[…] der Vortrupp der Werktätigen in ihrem Kampf für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft ist und den leitenden Kern aller Organisationen der Werktätigen, der gesellschaftlichen sowohl wie der staatlichen, bildet.“ Außerdem heißt es in Artikel 141, dass lediglich die Partei die Kandidaten für die Wahl aufstellen kann. Nach außen hin lieferte die neue Verfassung also demokratische Rechte und ein demokratisches Wahlsystem, genauer betrachtet bildet die Verfassung aber in den beiden benannten Artikeln die Wirklichkeit recht gut ab.[60]

In liberalen und linksgerichteten Kreisen im Westen wurde die generelle Tendenz der sowjetischen Außenpolitik ab 1935 positiv aufgefasst, von der neuen Ausrichtung der Komintern über die offene Parteinahme der sowjetischen Regierung für die spanische Republik bin hin zur neuen Verfassung.[61]

Volksfronttaktik der Komintern – verschobene Revolution

Die Rolle der Komintern wird in der Forschung als für die sowjetische Außenpolitik nicht allzu groß bzw. bedeutend angesehen. Vielmehr wird betont, dass sie ein reines Werkzeug Stalins war und ihre internationale Rolle auf eine Unterstützung der übrigen außenpolitischen Instrumente des sowjetischen Apparats degradiert wurde. Die Abhängigkeit der in Moskau sitzenden Organisation von ihrem ‚Gastland‘ wird besonders in den ‚Großen Säuberungen‘ deutlich, unter denen die Komintern „als Hort trotzkistischer Feinde“ besonders zu leiden hatte.[62] Unter dem Begriff der ‚Bolschewisierung‘ wurde ab dem V. Weltkongress 1924 die Tendenz der völligen Abhängigkeit der Komintern-Parteien von der KPdSU deutlich.[63]

Die ab 1928 geltende Losung der Komintern für die kommunistischen Parteien im kapitalistischen Rest der Welt war ebenjene berüchtigte These des „Sozialfaschismus“, welche die Sozialdemokratie als den größeren Feind als den aufkommenden Faschismus ansah und den vor allem für Deutschland so folgenschweren Grabenkampf zwischen KPD und SPD bis 1933 zur Folge hatte.

Eine erste Ausnahme von dieser Losung wurde aufgrund besorgniserregender Vorgänge in Paris am 6. Februar 1934 gewährt: Nachdem faschistische Kräfte im Zuge des Stavinsky-Skandals die linke Regierung abzusetzen drohten, beteiligte sich die Kommunistische Partei Frankreichs nach einem Entschluss in Moskau an einem Generalstreik der Sozialistischen Partei; gleichzeitig, ebenso im Februar 1934, kam es zum Aufstand sozialistischer Milizen gegen die Installation des Dollfuss-Regimes in Österreich.[64] Die Einheitsfront-Regierung in Frankreich, deren Zustandekommen auf diesen Ereignissen fußte, bildete ein deutliches Zeichen für einen Umschwung in der Kominternpolitik.[65]

Der einflussreiche Kominternpolitiker und ab 1935 Generalsekretär der Organisation, der Bulgare Georgij Dimitrov, der nach diesen Ereignissen von der Notwendigkeit einer Kurskorrektur der Kominternpolitik überzeugt war, konnte seine Ansichten erfolgreich dem sowjetischen Politbüro vorschlagen. Auch wenn Stalin anfangs noch wenig überzeugt war, stimmte das Politbüro schließlich für die neue Strategie und ebnete Dimitrov daraufhin auch den Weg zur Führung der Komintern.[66]

Der VII. Komintern-Kongress im Jahre 1935 brachte dann schließlich die richtungsweisende Veränderung für die – mehr ideologisch als tatsächlich in der Politik der einzelnen Staaten erfolgreiche – kommunistische Internationale. Die ultralinke Richtung, der Aufruf zum Kampf gegen die Sozialdemokratie als wichtigste Stütze der Bourgeoise, wurde fallen gelassen für eine neue Losung, die den Kampf gegen den Faschismus an oberste Stelle rückte und die Bildung von Volksregierungen als wünschenswertes Ziel anstrebte, was faktisch einen Aufschub der revolutionären Bemühungen der einzelnen kommunistischen Parteien bedeutete.

Auch wenn der Entschluss für die neue Losung sicherlich mit den Ereignissen in Frankeich und Österreich, vor allem natürlich aber auch der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 zusammenhing, passte das neue Konzept perfekt zum parallel stattfindenden Aufbau von Litvinovs „System der kollektiven Sicherheit“. „Both the Narkomindel and the Comintern’s strategy were a response to the same threat; collective security and Popular Front were twins.“[67]

Die Kurskorrektur in der Kominternpolitik und damit auch der Beziehungen der Sowjetunion zu den anderen kommunistischen Parteien ist neben dem Eintritt in den Völkerbund und dem Pakt mit Frankreich ein weiterer maßgeblicher Einschnitt in die internationalistische Politik der UdSSR. Von nun an stand auch die Politik der Kommunisten außerhalb der sowjetischen Grenzen ganz unter dem neuen Ziel der Friedenssicherung, und damit auch der von der kommunistischen Bewegung bisher so bekämpften Friedensordnung von Versailles. Wie verhängnisvoll die „Sozialfaschismus“-Losung auch besonders im Falle Deutschlands war und wie sinnvoll die Kursänderung für uns heute erscheinen mag, so stellt sie doch definitiv die Abkehr von Lenins Konzept des internationalistischen Kampfes für die Weltrevolution dar. „World revolution was put off for better times.“[68]

Ausblick: München 1938 und Moskau 1939: Das Scheitern der Westbindung

Der Ribbentrop-Molotov-Pakt, der hier nur in einem Ausblick betrachtet werden soll, stellt in vielen Punkten einen Bruch in der sowjetischen Außenpolitik dar: das Bündnis mit dem nationalsozialistischen und erklärten antikommunistischen Diktator des „Dritten Reiches“, die Expansion in der Zusammenarbeit mit demselben in die ehemaligen Gebiete des Zarenreiches, die Ersetzung Litvinovs durch Stalins treuen Gefolgsmann Molotov als Außenkommissar, der „Verrat an der Sache“.

Auf einer anderen Ebene aber kann man den Pakt auch als Kontinuität betrachten: die neue Großmacht UdSSR, die den Weg des Sozialismus eingeschlagen und die Weltrevolution vertagt hat, die in den Völkerbund eingetreten ist und Beistandspakte mit kapitalistischen Staaten abgeschlossen hat, die ihre Industrialisierung unter anderem durch ein auf die Friedensordnung von Versailles gestütztes „System der kollektiven Sicherheit“ und Kredite, Ingenieure und Material aus den kapitalistischen Staaten ermöglicht hat, die sich im Völkerbund als friedliebend und durch die neue Verfassung sogar demokratisch dargestellt hat, geht gewissermaßen den letzten Schritt. Sie sieht die beste Möglichkeit des weiteren Friedens für die UdSSR und den gleichzeitig größten Machtzuwachs in einem Pakt mit Deutschland und holt sich das „verloren gegangene“ ehemalige russische Gebiet zurück, nun vollständig in die Arena der anderen Großmächte eingetreten, die sich jedoch immer noch in einigen markanten Punkten von diesen unterscheidet.

Der Pakt mit Hitler liegt naturgemäß im Mittelpunkt zahlreicher Forschungsarbeiten. Da der Fokus dieser Arbeit auf der Zeit vor dem Pakt liegt, dieser aber dennoch als Abschluss der betrachteten Phase eminent ist, sollen die wichtigsten Forschungsrichtungen, Ansätze und Thesen vorgestellt werden, ohne dabei den Anspruch an Vollständigkeit der Zusammenfassung der, wie gesagt, zahlreichen Literatur zu dem Thema zu erheben.

Die Beurteilung des Hitler-Stalin-Paktes schließt stets die vorhergehenden Jahre mit ein und erstellt so ein Gesamtkonzept der Außenpolitik unter Stalin. Dabei geht es vor allem um die Bewertung des Systems der „kollektiven Sicherheit“. Wie bereits in Kapitel 4) über den Eintritt in den Völkerbund dargestellt, hält eine Denkrichtung alle hier teilweise vorgestellten Bemühungen um die Sicherung des Friedens und die Annäherung an die Westmächte für die Tarnung der eigentlichen Bemühungen der sowjetischen Außenpolitik, einem Bündnis mit Deutschland. Für Vertreter dieser Richtung, darunter Robert C. Tucker oder Gerhard Weinberg[69], bestand die wahre sowjetische Außenpolitik dieser Jahre aus Geheimkontakten zum Deutschen Reich und nicht in den pazifistischen Reden Litvinovs vor dem Völkerbund oder dem Sicherheitspakt mit Frankreich. In dieser Sichtweise ist schließlich der Pakt mit Hitler kein Fehltritt einer auf den Westen und den Friedenserhalt ausgerichteten Außenpolitik, sondern der Erfolg der in Wahrheit verfolgten Ziele. Teil dieser Theorie ist auch die These, der Große Terror habe die Ausschaltung des antideutsch bzw. antifaschistisch eingestellten Teils des sowjetischen bürokratischen Apparates zum Ziel gehabt und sollte somit den Weg zum Pakt mit Hitler ebnen. Dieser Deutung der Säuberungen widerspricht u.a. Teddy Uldricks und kritisiert, die Opfer des NKVD-Terrors seien keinesfalls allein unter den antideutsch eingestellten Teilen des sowjetischen Apparats zu finden.[70]

Auch die Sudetenkrise 1938 ist für das Verständnis des Paktes von 1939 wichtig. Silvio Pons sieht in der Krise nicht nur ein Scheitern der westlichen Außenpolitik, sondern betont ebenso die Passivität der sowjetischen Politik in der Krise: „The Czech crisis soon proved that the Soviet Union lacked the will and the means to play a significant role in European affairs: Moscow retreated still further from the international stage.“[71] Gestützt durch die Beschlüsse des Paktes von 1935 habe die sowjetische Führung nach der in der Angst vor einem neuen Krieg in Europa begründeten französischen Absage keine Eigeninitiative ergreifen wollen. Zwar habe Litvinov bis zuletzt versucht, einen europäischen Krieg zu verhindern, in den seiner Meinung nach die UdSSR unwillkürlich mit hineingezogen werden würde, wie ein Telegramm an Stalin zeigt, in dem er ihn zur Mobilisierung als wirkungsvolle Maßnahme gegen Hitlers Expansionsdrang bewegen wollte.[72] Jedoch lag die Entscheidungsgewalt nicht in seiner Hand und sein Drängen auf aktive Unterstützung Prags wurde nicht in Taten umgesetzt.

Donald O’Sullivan sieht in der sowjetischen Politik während der Sudetenkrise keine allein durch die französische Haltung motivierte Passivität. In seiner Analyse der sowjetischen Außenpolitik vom Münchner Abkommen bis zum deutschen Angriff 1941 sieht er die Zielsetzung der sowjetischen Führung in einer militärischen Auseinandersetzung Deutschlands mit Prag und den Westmächten, was er vor allem durch eine geheime Rede Ždanovs in Prag im August 1938 begründet, in der dieser vor kommunistischen Funktionären die positiven Folgen eines möglichen Krieges erläutert, nämlich das Ende von Faschismus wie Kapitalismus. In einem solchen Kampf stünde die Rote Armee dann auf Seiten der tschechoslowakischen Genossen.[73] Der französische Vertragsbruch erleichtere laut O’Sullivan diese Haltung lediglich.

Ein weiterer Streitpunkt ist das Interesse Stalins oder genereller der sowjetischen Führung am Feld der Außenpolitik. Viele frühere Arbeiten betonen das außenpolitische Desinteresse Stalins an Themen der Außenpolitik und die Fixierung auf die in den 30er Jahren viel wichtigeren Themen wie Industrialisierung, Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und schließlich Sicherung der totalen Macht durch die Säuberungen ab 1936/37.[74]

Um die Jahrtausendwende entstanden eine Reihe weiterer Forschungsarbeiten zum Thema der sowjetischen Außenpolitik, darunter die hier oft zitierten Arbeiten von Donald O’Sullivan oder Viktor Knoll. Diese betonen zum einen die Handlungsmöglichkeiten der Beamten des NKID und Litvinovs, zum anderen widerlegen sie die These der Außenpolitik als wenig beachtetes oder hinter der Innenpolitik weit zurückstehendes Feld der Politik, wie auch Robert Service in seiner 2004 erschienen Stalin-Biographie[75]. Durch die Analyse neu zugänglicher Dokumente machen sie deutlich, dass sich Stalin über jede noch so kleine außenpolitische Begebenheit stets informieren ließ und über die Außenpolitik bestens informiert war[76]. In den spannungsgeladenen Jahren 1938/39 sehen sie eine große Flexibilität der sowjetischen Außenpolitik. „Weniger langfristige und detaillierte Planungen bestimmten die sowjetische Außenpolitik zu der Zeit, sondern die kontinuierlichen Neueinschätzung des internationalen Kräfteverhältnisses und die ständige Anpassung des eigenen Instrumentariums an die wechselnden Umstände.“[77], schreibt O’Sullivan. Der Pakt mit Hitler ist hier weder das über Jahre verfolgte Ziel noch bedauerlicher Fehler einer langfristig auf eine Annäherung an den Westen festgelegten Politik, sondern Ergebnis eines Abwägens zwischen einem Bündnis mit den Westmächten oder mit Hitler. Nach monatelangen parallel geführten Geheimverhandlungen mit beiden Seiten entschloss sich Stalin schließlich für Hitler, der ihm die von den Westmächten versagten baltischen Staaten und Ostpolen zusicherte.

Fazit

Die Eingliederung in das internationale System und der Prozess der Anpassung der Außenpolitik an westliche oder auch nur ‚traditionelle‘ Maßstäbe lief wie in dieser Arbeit gezeigt in mehreren Schritten ab. Nachdem durch die diplomatische Anerkennung der meisten Staaten ab 1924 zum einen die Grundlage für den Kontakt mit den kapitalistischen Staaten gelegt wurde und der wirtschaftliche Aufbau durch Investitionen und Güter aus diesen Staaten gewährleistet war, gelang schon 1929 durch das Litvinov-Protokoll und die darauf folgenden Nichtangriffspakte ein erster sicherheitspolitischer Vertrag und eine Annäherung an die europäischen Nachbarstaaten. Das Konzept des „Sozialismus in einem Land“ bildet dann die ideologische Grundlage für die Verschiebung der Weltrevolution, die staatlich durchgesetzte massive Industrialisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft im ersten Fünf-Jahres-Plan. Außerdem werden durch dieses Konzept des ‚sowjetischen Nationalstaates‘ die Einbindung in das internationale Mächtesystem und die Pakte mit kapitalistischen Staaten legitimiert. Der erste sozialistische Staat der Geschichte nimmt somit einen seinen eigenen Weg, nähert sich aber außenpolitisch nach der revolutionären Phase immer weiter den traditionellen Maßstäben an.

Der Eintritt in den Völkerbund 1934 und damit verbunden der Pakt mit Frankreich und der Tschechoslowakei 1935 bilden schließlich die Fortführung der ersten beiden Punkte und schließen – mit der Ausnahme von Rapallo – die nach der Revolution entstandene Schlucht zwischen den kapitalistischen Staaten und ihrem ersten sozialistischen Pendant. Der prowestliche Litvinov konnte die UdSSR dem Westen annähern und durch den Kontakt mit den ausländischen Regierungen das von ihm präferierte „System der kollektiven Sicherheit“ etablieren. Die langen und komplizierten Verhandlungen im Zusammenhang um den Völkerbundseintritt und den Pakt zeigen klar den Fokus der sowjetischen Außenpolitik auf dem Erhalt des Friedens und damit auch des zuvor bekämpften Versailler Friedenssystems, wodurch der Erhalt der Wirtschaftsbeziehungen und damit der Aufbau des Sozialismus ermöglicht und ein Angriff auf die UdSSR verhindert werden sollten. Dieses Ziel spiegelt auch die 1935 an die Verhältnisse in Europa angepasste Komintern-Politik wider, die den Aufruf zur Weltrevolution durch die Forderung von Volksregierungen zusammen mit den zuvor bekämpften Sozialdemokraten bzw. gemäßigten Sozialisten zum Erhalt des Friedens und der Eindämmung des Faschismus ersetzte. Die friedensliebende Selbstinszenierung im Völkerbund und die scheinbare Demokratisierung durch die neue Verfassung von 1936 ergänzen dieses Bild und zeigen den starken Wunsch nach Annäherung an den Westen nach der ‚Einkreisung‘ durch die faschistischen Mächte Deutschland und Japan.

Quellen

Primärquellen

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Sekundärquellen

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[1] Koestler, Arthur: Von weißen Nächten und roten Tagen, Wien 2013, S. 28

[2] Mit Ausnahme der auf internationaler Ebene eher unbedeutenden Mongolei

[3] Siehe hierzu das Vorwort zu: Marx, Karl: Zur Kritik der politischen Ökonomie, In: Marx, Karl; Engels, Friedrich: Werke, Berlin 1971

[4] Creuzberger, Stefan: Stalin. Machtpolitiker und Ideologe, Stuttgart 2009, S. 209 ff.

[5] Ebd., S. 220

[6] Großbritannien folgen noch 1924 Italien, Österreich, Griechenland, Norwegen, Schweden, China, Dänemark, Mexiko, Frankreich und Japan. Siehe: Der Große Ploetz, Die Enzyklopädie der Weltgeschichte. 35., völlig neu bearbeitete Auflage, Freiburg im Breisgau 2008, S. 1134 f.

[7] Kennan, George F.: Sowjetische Außenpolitik unter Lenin und Stalin, Stuttgart 1961, S. 265 ff.

[8] Knoll, Viktor: Das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten im Prozess außenpolitischer Entscheidungsfindung in den zwanziger und dreißiger Jahren, In: Zwischen Tradition und Revolution. Determinanten und Strukturen sowjetischer Außenpolitik 1917-1941, herausgegeben von Ludmila Thomas und Viktor Knoll, Stuttgart 2000, S. 125

[9] Kennan: Sowjetische Außenpolitik, S.309

[10] Die Bolschewiki weigerten sich, die Schulden der zaristischen Regierung in Großbritannien zu übernehmen; Siehe Kennan: Sowjetische Außenpolitik, S. 310, S. 316 f. und S. 274 oder Niedhart, Gottfried: Die Sowjetunion in der britischen Urteilsbildung 1917-1945, In: Niedhart: Der Westen und die Sowjetunion. Einstellungen und Politik gegenüber der UdSSR in Europa und in den USA seit 1917, Paderborn 1983, S. 107

[11] Хлевнюк, Олег: 1930.1933 гг., In: Политбюро ЦК РКП(б) – ВКП(б) и Европа. Решения «особой папки» 1923 – 1939, Moskau 2001, S. 209

[12] Haslam, Jonathan: The Soviet Union and the struggle for Collective Security in Europe, 1933-39, London und Basingstoke 1984, S. 17 ff.

[13] Narodny kommissariat innostrannych del (Volkskommissariat für äußere Angelegenheiten)

[14] Knoll: Das Volkskommissariat, S. 139

[15] Schröder, Hans-Jürgen: Von der Anerkennung zum kalten Krieg. Die USA und die Sowjetunion 1933-1947, In: Niedhart, Gottfried (Hrsg.): Der Westen und die Sowjetunion. Einstellungen und Politik gegenüber der UdSSR in Europa und in den USA seit 1917, Paderborn 1983, S. 180 f.

[16] Knoll: Das Volkskommissariat, S. 127

[17] Maksim Maksimovič Litvinov löste 1930 Čičerin als Außenkommissar ab

[18] Markert, Werner: Von der Oktoberrevolution zur „Revolution von oben“. Zur politischen Struktur des Stalinismus, In: Vierteljahrsheft für Zeitgeschichte, 2 (1954), S. 70

[19] Ebd., S. 70 f.

[20] Deutscher, Isaac: Stalin. Eine politische Biographie, Berlin 1989, S. 366

[21] Ebd., S. 369 f.

[22] Stalin, J.W.: Fragen und Antworten, Rede am 9. Juni 1925, In: Werke, Bd. VII, Berlin (Ost) 1952 ff., S. 173 ff.

[23] Haslam: The Soviet Union, S. 1

[24] Ebd., S. 1 f.

[25] Хлевнюк, Олег: 1930.1933 гг., In: Политбюро ЦК РКП(б) – ВКП(б) и Европа. Решения «особой папки» 1923 – 1939, Moskau 2001, S. 209

[26] Haslam: The Soviet Union, S. 11

[27] Creuzberger: Stalin, S. 225

[28] Siehe beispielsweise Tucker, Robert C.: Stalin in Power: The Revolution from above, 1928-1941, New York 1990

[29] Uldricks, Teddy J.: Soviet Security Policy in the 1930s, In: Gorodetsky, Gabriel (Hrsg.): Soviet Foreign Policy, 1917-1991. A Retrospective, London 1994, S. 66

[30] Ebd., S. 66

[31] Ebd., S. 67

[32] Ebd., S. 68

[33] Haslam: The Soviet Union, S. 11

[34] Ebd., S. 19 f.

[35] Политбюро ЦК РКП(б) – ВКП(б) и Европа. Решения «особой папки» 1923 – 1939, Moskau 2001, Dok. 140, S. 235 f.

[36] Ebd., Dok. 149, S. 245

[37] Girault, René: Wirklichkeit und Legende in den französisch-sowjetischen Beziehungen 1917-1945, In: Niedhart, Gottfried (Hrsg.): Der Westen und die Sowjetunion. Einstellungen und Politik gegenüber der UdSSR in Europa und in den USA seit 1917, Paderborn 1983, S.127 f.

[38] Polpred = Polnomočnyj Predstavitel (=bevollmächtigter Vertreter) entspricht einem Botschafter

[39] Политбюро ЦК РКП(б) – ВКП(б) и Европа, S. 306, zitiert nach: „Documents Diplomatiques Francais, 1932-1939, I Serie. V. Paris 1970. Doc. № 84, P. 165“

[40] Ebd., Dok. 207, S. 305 f. Hier lässt sich beispielshaft das oben beschriebene Prinzip der Ausarbeitung durch das NKID und die Beschlusskraft des Politbüro aufzeigen: am 12. Dezember fällt das Politbüro eine Resolution für die kollektive Sicherheit. Daraufhin wird das Narkomindel beaufragt, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen, der am 19. Dezember schließlich angenommen wird, wodurch schließlich Litvinovs ursprüngliche Idee angenommen wurde. Siehe hierzu: Haslam: The Soviet Union, S. 29

[41] Aus dem Dokument sind keine näheren Informationen zu dieser Person ersichtlich, auch die französische Schreibweise kann hier nur erraten werden (original Пайяр)

[42] Ebd., S. 314, zitiert nach: Dokumenty vneshnej politiki SSSR, T. XVII., S. 495

[43] Haslam: The Soviet Union, S. 34 f.

[44] Ebd., S. 37

[45] Ebd., S. 38

[46] Политбюро ЦК РКП(б) – ВКП(б) и Европа, Dok. 214, S. 313

[47] Ebd., S. 318

[48] Ebd., Dok. 218, S. 318

[49] Haslam: The Soviet Union, S. 43 f.

[50] Политбюро ЦК РКП(б) – ВКП(б) и Европа, Dok. 219, S. 318

[51] Ebd., S. 49 ff.

[52] Ebd., S. 51

[53] Bereits 1922 kam es zur Teilnahme einer sowjetischen Delegation an der Internationalen Konferenz über Fragen der Hygiene und Seuchenbekämpfung in Warschau, die vom Völkerbund einberufen worden war. Siehe dazu: Pfeil, Alfred: Der Völkerbund. Literaturbericht und kritische Darstellung seiner Geschichte, Darmstadt 1976, S. 92 f.

[54] Ebd., S. 92

[55] Ebd., S. 122 f.

[56] Plettenberg, Ingeborg: Die Sowjetunion im Völkerbund 1934 bis 1939. Bündnispolitik zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in der internationalen Organisation für Friedenssicherung: Ziele, Vorraussetzungen, Möglichkeiten, Wirkungen, Köln 1987, S. 515

[57] Ebd., S. 513 ff.

[58] Deutscher: Stalin, S. 460 f.

[59] Ebd., S. 538

[60] Zum Text der Verfassung siehe: Bodo Dennewitz, Die Verfassungen der modernen Staaten, Gildenverlag Hamburg 1947, S. 191-214

[61] Kennan: Sowjetische Außenpolitik, S. 395 ff.

[62] O’Sullivan, Donald: Stalins „Cordon sanitaire“. Die sowjetische Osteuropapolitik und die Reaktionen des Westens 1939 – 1949, Paderborn, München u.a. 2003, S. 56

[63] Weber, Hermann: Die Kommunistische Internationale. Eine Dokumentation, Hannover 1966, S. 20

[64] Haslam: The Soviet Union, S. 35

[65] Albertini, Rudolf von: Zur Beurteilung der Volksfront in Frankreich (1934-1938), In: Vierteljahrsheft für Zeitgeschichte 7 (1959), S. 1 f.

[66] Haslam: The soviet Union, S. 54

[67] Ebd., S. 59

[68] Ebd., S. 59

[69] Siehe Tucker, Robert C.: Stalin in Power. The Revolution from above. 1928-1941, New York 1990 oder Weinberg, Gerhard: The Foreign Policy of Hitler’s Germany, Vol. I, Diplomatic Revolution in Europe 1933-1936 und Vol. II, Starting World War II, 1937-1939, Chicago 1980

[70] Uldricks: Soviet Security Policy, S. 69

[71] Pons, Silvio: Stalin and the inevitable war, 1936-1941, London 2002, S. 126

[72] Pons: Stalin and the inevitable war, S. 132 f.

[73] O’Sullivan: Je später man uns bittet, S. 161 f.

[74] Über diese Denkrichtung siehe: O’Sullivan: Stalins “Cordon Sanitaire“, S. 49

[75] Service, Robert: Stalin, A Biography, London, Basingstoke und Oxford 2004, S. 381

[76] O’Sullivan: Je später man uns bittet, S. 166

[77] Ebd., S. 173

Vichy and Budapest under the swastika – a comparison

Contrary to a reading of the German occupation of Europe and the history of the Shoa as one linear process, one can explain the mechanism of extermination as full of contradictions and pragmatic decisions held together by the leitmotiv of the national socialist ideology. The initial German preference for moderate forces in Croatia after the invasion of Yugoslavia instead of the Ustaše as well as the support for Antonescu in Romania instead of the Iron Guard are examples of this policy. Likewise, the history of the Shoa in France and Hungary is one of immense contradictions. Both countries became part of the German sphere of influence, but under somewhat different conditions: While France was divided into two zones after the German invasion with a neutral and sovereign state in the unoccupied south, Hungary became officially part of the Tripartite Pact in November 1940, gained territories of its neighbours from 1938 to 1941 thanks to its proximity to Berlin and joined the German attacks on Yugoslavia and the Soviet Union. In terms of both states’ policy towards the “Jewish question”, the two countries dealt in a very different way with the German demand for the deportation of the Jewish population. While the Hungarian government refused to hand over the Hungarian Jews, despite its antisemitic laws and an intense “homegrown” antisemitism, the French government accepted the German demands and deported non-French Jews from the southern, unoccupied zone to the North, from where they were sent to Auschwitz, despite the long French tradition of Jewish emancipation and liberal democracy.

In the following, these seeming contradictions shall be analysed based on the question of the background of the decisions made by the two governments. Therefore, this essay focuses on the time before the occupation of the French southern zone in November 1942 and Hungary in 1944, respectively. Since the decisions of the two unoccupied governments shall be compared, the focus will thus be on the deportations from the French south rather than on the roundups in northern France, although they were organised by the French police as well. In the first part of the essay, the long-term ideological backgrounds, especially the nature of antisemitism in both countries before and after the First World War, will be examined. Based on this background, in the second part specific documents will be analysed in order to determine the scope of action of the two governments. The primary sources are documents from the German Foreign Office and the German occupation authorities in France. Robert Paxton has shown in his sensational book “La France de Vichy”[1] that the use of German documents can be a sufficient and even revealing source-base for an analysis of the history of the participation of an allied government in the extermination of the Jewish population. Still, we have to take into account that the solely German perspective has its limits; since the analysis is about the negotiations, though, they tell us enough about the decisions the two governments took.

The comparison between France and Hungary reveals the importance of the connection between the different long-term history of Antisemitism and Jewish Emancipation and the antisemitic policies in the Second World War in each state. Also, a comparison between the two countries shows the possibilities the German allies had under its predominance and the alternative decisions they took.

To begin with, the two countries developed a different definition of Jewish citizenship in the 19th century. In France, enlightened circles were pressing for the Jewish emancipation already by the 1780s.[2] The French revolution then made France the first European country to grant Jews “full political, legal, and social equality, eliminating all former barriers to their participation in every aspect of life”[3] in 1790 and 1791. Emancipation, from Enlightenment perspective, should strip Jews of their Jewish identity and make them socially and culturally indistinguishable from other – Christian – citizens. During the 19th century the French state held to the “civic definition of membership of the French nation state”[4]. This situation made Jewish life flourish and the new Jewish citizens believe in and feel part of the republic.

In Hungary, by contrast, the emancipation of Jews was not the result of a revolutionary idea, but closely linked to the political situation of the Habsburg Dual Monarchy. Since ethnic Magyars made up only about half of the population of Transleithania, the Magyar leadership welcomed the largely voluntary Magyarization of Jews. In their eyes, Jewish emancipation served the national cause, “both as enthusiastic new members of the Magyar nation and as the group with the most capability for modernizing the Hungarian economy”[5]. Hence the two definitions differed from the beginning on: While France regarded Jews who committed to the republic as full members of the democratic, political unity (in absence of a national question), emancipation in Hungary became a weapon in the conflict between the Magyar leadership and the ethnic minorities in the Hungarian half of the dual monarchy and a means of modernizing the economy. This rather pragmatic approach to the “Jewish question” in Hungary we will find again later in the interwar-period and the Second World War.

The history of antisemitism in both countries took a quite different course. In France, the Dreyfus-Affair is certainly the most important incident in this respect. It occurred in a time when, beginning in the 1880s, antisemitism grew due to the catastrophic military defeat against the Prussian army, a fundamental constitutional change and a Europe-wide economic depression. The arrest and accusation of treason and espionage for the German enemy of the Alsatian Jew Alfred Dreyfus became the perfect occasion for all opponents of the Third Republic and the liberal state in general to express their criticism. In their minds, all Jews were in the enemy camp because of their mentioned gratitude to the Republic. Yet, his final triumph in 1906 discredited antisemitism in France for the next two decades.[6] In a broader perspective, however, Dreyfus and with him all French Jews became a symbol of a rational, Enlightenment and republican modernity.[7] This association then became important again in the 1930s, when a new wave of antisemitism, caused to a big extent by the world economic crisis, was linked to anticommunism. In this mood, a strong chauvinistic attitude emerged, which was directed not only against Jews. Still, orthodox Jewish immigrants from Eastern Europe who often only spoke Yiddish were the most visible among the 2,45 million foreigners in France in 1935.[8] The Jewish and socialist head of the Popular Front government, Leon Blum, finally became the symbol of the failure of the republican, capitalist system for all opponents of the liberal state. The phoney war then entailed an increase in antisemitic expressions. “For many, the foreigners and the Jews in general, had dragged France into a hopeless and unnecessary war for personal reasons.”[9]

In Hungary, the First World War was a true watershed in the history of antisemitism. Although one of the first antisemitic movements occurred in Hungary in the 19th century, before 1914 the government considered antisemitism “an attack on one of the central pillars of the Magyar national cause”[10] and thus challenged it. The situation worsened dramatically after the war and Béla Kun’s short-lived Hungarian Soviet Republic, in which Jews had played an important role and which was associated with Jewish Marxism by its opponents after its suppression by the Romanian army and Horthy’s counter-revolutionary forces. What is more, in post-Trianon Hungary the Jews were no longer needed to achieve a Magyar majority since Budapest did not rule the former national minorities of the Habsburg monarchy any more. Instead, the “community of interest” was now based most of all on economic terms.[11] The association of the Jewish population with the “national enemy”, Bolshevism, explains the first antisemitic law enacted in the 20th century, an anti-Jewish Numerus Clausus. Yet, the next antisemitic laws started only in 1938, when the proportion of Jewish employees in certain professions was reduces to 20 per cent.[12] A second law in 1939 went even further and provided for the removal of Jews from the public service by means of an exacerbated quotation of twelve or six percent for certain professions and an even stricter Numerus Clausus of six percent. A third law prohibited marriage between Jews and non-Jews in 1941.[13] In the justification of this law the government stated for the first time the aim of “racial purity of the Hungarian Nation” and expressed the will to segregate Jews from the rest of society. In addition, it contained an extension of the definition of the term “Jew”.[14] This third law was, as the second one to an extent, without doubt based on German pressure.[15]

These laws and the general emergence of antisemitism was one part of a political radicalisation and the rise of fascism in the 1930s following the economic crisis and the fall of agrarian prices, which hit the still predominantly rural society of Hungary particularly hard.[16] Different national socialist parties like the Arrow Cross movement used this situation to explain Hungary’s problems with their antisemitic propaganda and received together about 25 percent in the 1939 election.[17] The antisemitic laws were often justified by politicians as countering this wide-spread antisemitism. What is more, the radicalisation expressed in the three antisemitic laws was part of the rapprochement with Nazi-Germany, which was seen as the power able and willing to re-draw the borders of central Europe in favour of Hungary.[18]

This brings us to the second part of our analysis, the two different relations to Germany culminating in the two varying reactions to the German exterminatory policy. In both cases it is important to state that the antisemitism which made the exclusion of the Jewish population possible was not imported from Germany, but had its own roots. Also, however, in both cases the governments did not share the German exterminatory antisemitism[19], their final aim was not the complete and systematic extermination of all European Jews, although both governments played their part in this process. Still, the situation of Vichy differed in many respects. The disastrous defeat against the Germans explains the need for a scapegoat, which was found in the “decadence” of the Third Republic and the Jews who were, as shown above, associated with the liberal, Enlightened, republican modernity by its opponents who came to power in 1940. Besides, the French government in Vichy dealt with a different military situation than rather autonomous Hungary: although the south was not occupied by the Germans, the threat to do so remained. In addition, the French POWs in Germany were a means of pressure and a remainder of the German supremacy. Yet, the first antisemitic laws were passed without any direct German pressure.[20] Some of them were not directed at Jews only, but at foreigners in general, like a “law limiting employment in the public sector to individuals born of French fathers”[21]. Vichy also annulled two pre-war laws with serious consequences for Jews living in France: a liberal naturalisation law of 1927 and a decree from 1939 which had prohibited attacks in the press “based on race or religion”[22]. In October 1940 a “Statut des Juifs” followed these measures which defined the term “Jew” and excluded Jews from public service, the army and other important professions like journalism. “The timing suggests that the statute had been in preparation well before the publication of the German decrees. The surprising priority awarded to the ‘Jewish question’ cannot be explained as a result of direct German pressure.”[23] In the following, Vichy issued “26 laws and 24 decrees on the Jews”.[24] Most importantly, in July 1941 a census was ordered in the southern zone. “This was a breach with the Republican tradition confining questions of religion and ethnic origin to the private sphere; it had grave consequences when Jews started to be rounded up in 1942.”[25] These laws, in a broader perspective, are a perfect example of the initially mentioned contradictions of the Vichy policy: their definition of the term “Jew” was even more radical than the German one, but, “unlike the Germans, [they] allowed some people to escape the full consequences of its anti-Semitic policy”.[26] Another example is the yellow badge, which was not introduced in the south despite the German demand to do so.

Without these laws, the deportation of foreign, non-French Jews from the southern zone would not have been possible. The negotiations preceding the handing over of 41,951 Jews in 1942 started already in 1941. A report of a meeting between the German military commander of France, Otto von Stülpnagel, and the new “Commissioner-General for Jewish Questions” of Vichy, Xavier Vallat, on 5 April 1941 shows the still sceptical attitude of the French government towards a deportation, since, as Vallat stated, “there were few countries left which were willing to receive Jews.” He advocates the French autonomy by presenting the intensified anti-Jewish guidelines Pétain instructed him to elaborate. What is more, one can see the distinctions Vichy made between different groups of Jews: Vallat tried to justify the exception of some 6000-7000 bereaved of world war combatants from the anti-Jewish measures. Since the French people would interpret such an act as German pressure against war veterans, it would be better to leave them alone and advance on the other Jews “all the more radical”.[27] The willingness of the French government to deport Jews from the south then seems to have changed in less than a year. A document from February 1942 cites a German consul general, Krug von Nidda, who believed that the French would even provide Jews from the south if there were clear proposals. Von Nidda also is quoted as believing the French government would be happy to get rid of the “the Jews” in any way after many talks with French politicians, among them François Darlan.[28] This shows that there were talks about this issue between German and French authorities, but on the same time it proves that inside the French leadership intentions had changed.

A document from September 1942 referring back to talks in May even shows that René Bousquet, secretary general of the Vichy police, asked Heydrich in a meeting about the deportation of Jews form the northern zone if also stateless Jews from the south could be deported, which was refused because of transportation difficulties.[29] In July 1942, finally, two documents show the distinction Vichy made between “foreign” and “French” Jews. In the first one, Bousquet tells several SS-officers the preference of his government to deport the foreign Jews “at first”. As the Germans accepted this, he agreed to arrest a number of foreign Jews in the whole of France which was determined by the Germans.[30] In a second one, Laval is quoted as having accepted this deal. In addition, he proposed to deport the children under 16 years together with their parents. “The question of Jewish children (“Judenkindern”) remaining in the occupied part does not interest him.”[31] This shows that the distinction must not be overrated: many of these children had become French citizens at birth and are thus, by definition, not foreign.[32]

These documents show that the French government acted without direct German pressure and even in part on their own initiative. At this point, the French definition of citizenship may help us understand these – contradictory – decisions: The antisemite Vichy-leadership still stuck to the old idea that Jews could be part of the nation by assimilation, rather than stripping all Jews of the French citizenship, although it changed it to a system of different grades of citizenship in which Jews were strongly discriminated against and could not be part of the state apparatus. Foreign Jews Vichy did not care about and handed them over to the Germans, although it has to be remarked that Vichy, although aware of the horrible conditions these people were sent to, probably did not know that their extermination was the final aim of the Germans, at least not when the deportations started.[33] The case of the French children, however, shows the limits of this explanation.

In the Hungarian case, the negotiations had a different frame. Since the country was a German ally, there were no occupation authorities. Besides, unlike in the case of Slovakia, Bulgaria and Rumania, the independent governments in Budapest refused to accept a German “Judenberater” in their country. Therefore, the negotiations about the deportation of the Hungarian Jews took place via the diplomatic channels. The following documents show the attempt of the Hungarian government to avoid the deportation of their Jewish population to the Germans. In the record of a talk between the Hungarian legate, Döme Sztójay, and Martin Luther, a central figure of the Jewish policy of the German Foreign Office, on 6 October 1942, the latter suggested further measures against the Hungarian Jews in and outside Hungary, most importantly the introduction of the yellow badge, as well as deportations. Sztójay’s reaction was rather sceptical. He wanted to know if the measures against Jews living in Germany and the occupied territories applied for Italian Jews as well. Since Luther assured him this would be the case he agreed. In the case of deportations, however, Sztójay stated that it would be very difficult to deport all Jews because of their large number. Also he asked Luther if the Jews would have “further existence” after the “evacuation to the East”, since his prime minister was very interested in this question and there would be rumours that unsettled him. Luther’s answer that the Jews would live in a “Jewish preserve” seem to have calmed him.[34] Although Sztójay gave in to the German pressure in the case of Hungarian Jews living abroad at this meeting, both this issue and the deportations remained points of conflict. In fact, Sztójay protested in dozens of note verbales against the deportation of Hungarian Jews living abroad to the extermination camps.[35]

The record of a talk between the prime minister, Miklós Kállay, and the German legate in Budapest a few days later reveals the insistence to deal with the “Jewish question” independently, since it would be a domestic issue. He referred to an antisemitic speech he held recently and again to the vast number of the Jews as an obstacle to remove them.[36] The sovereignty of Hungary in this issue we can find in another document as well, a letter from the Hungarian legation in Berlin, where, interestingly, economic reasons were stated which made a removal of the Jews from Hungary impossible. The legation even claimed the removal of all Jews from the economy would be against German interests since 80 percent of the Hungarian economy was working for the German war effort. Also, the yellow badge could not be introduced because it would jeopardize the social and lawful order.[37] The last analysed document from December 1942 shows the delaying game Budapest played. Kállay telled von Jagow again he would soon have an answer for him, but the situation would be more difficult in Hungary than in other countries. The government even had to show consideration for the parliament where rumours about the “treatment of the Jews in the East” were discussed.[38] Indeed, Hungary had a functioning parliament until the German occupation in 1944, in which even social democrats participated. Maybe this played a part in the decision-making. In France, by contrast, there could be no open discussion about the deportations, which were decided by the dictatorship.

The obvious contradiction between the antisemitic laws passed between 1938 and 1941 and this policy towards the Germans may be explained by both the long-term, rather pragmatic and economic relationship between the Hungarian state and its Jewish inhabitants shown above and the military situation of the war which increasingly seemed to develop in the disadvantage of Germany. After the fall of fascism in Italy and the defeat of the Hungarian army at the Don in 1943, Kállay’s government made serious considerations of how to leave the axis powers and the war.[39] In this situation, it was considered better to stop all further antisemitic measures to have a better stand in negotiations with the Western Allies.

To conclude, one thing seems clear: the cultural or civilizational split of Western and Eastern Europe fails in the explanation of the different reactions of Budapest and Vichy to the German demands. To give an exact answer in this history of contradictions seems quite difficult. The Vichy government built its legitimacy among others on the exclusion of the Jewish population from the public life, but it did not strip all of them of their citizenship, i.e. it did not completely change the relationship between the state and the Jews, but it made them to second class citizens and, for the first since the revolution and emancipation, defined and counted them based on their “difference” from Christian French. In the talks with the Germans it offered the Jews it did not care for at all and which did not even match this definition since they were foreign. In Hungary, by contrast, the old basic (economic) relationship between State and Jews also remained intact, but – as in France – Jews became more and more second class citizens. The Hungarian government(s) did not radicalise itself enough (maybe because it was no full scale dictatorship) to made the final step towards deportation. It’s higher degree of independence from Germany made it possible to hold out the radical German antisemites and its Hungarian national socialist allies until 1944.

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[1] Paxton, Robert O.: La France de Vichy, Paris 1973; originally published as Vichy France: Old Guard and New Order (New York: Columbia University Press, 1972).

[2] Beller, Steven: Antisemitism. A Very Short Introduction, Second Edition (Oxford: Oxford University Press, 2015), p. 25.

[3] Susan Zuccotti: The Holocaust, the French, and the Jews (New York: BasicBooks, 1993), p. 7.

[4] Beller: Antisemitism, p. 26.

[5] Ibid., p. 20.

[6] Zuccotti: The Holocaust, pp. 12-16.

[7] Beller: Antisemitism, pp. 23-24.

[8] Zuccotti: The Holocaust, pp. 24-25.

[9] Ibid., p. 41.

[10] Beller: Antisemitism, p. 20.

[11] Katzburg, Nathaniel: Hungary and the Jews. Policy and Legislaiton 1920-1943 (Ramat-Gan: Bar-Ilan University Press, 1981), p. 214.

[12] Gerlach, Christian; Götz, Aly: Das letzte Kapitel. Realpolitik, Ideologie und der Mord an den ungarischen Juden 1944/1945 (Stuttgart: DVA, 2002), p. 38.

[13] Ibid., pp. 46-48.

[14] Ibid., pp. 48-49.

[15] Katzburg: Hungary and the Jews, p. 218.

[16] Carsten, F. L.: The Rise of Fascism, Second Edition (Berkeley: University of California Press, 1980), p. 173.

[17] Hanebrink, Paul A.: In defense of Christian Hungary. Religion, Nationalism, and Antisemitism, 1890-1944 (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 2006), pp. 164-65.

[18] Ibid., p. 166.

[19] Marrus, Michael R. and Paxton, Robert O.: Vichy France and The Jews (Stanford, California: Stanford University Press, 1995), p. xvii.

[20] Ibid., p. 5.

[21] Zuccotti: The Holocaust, p. 53.

[22] Ibid., p. 53.

[23] Ibid., p. 56.

[24] Jackson, Julian: France: The Dark Years, 1940-1944 (Oxford: Oxford University Press, 2001), p. 356.

[25] Ibid., pp. 356-57.

[26] Vinen, Richard: The Unfree French. Life under the Occupation (London: Allen Lane, 2006), p. 141.

[27] Doc. XXIV-15: The German military commander in France; Administration office, Paris 05.04.1941, in Klarsfeld, Serge: Vichy – Auschwitz. Die “Endlösung der Judenfrage in Frankreich (Darmstadt: WBG, 2007), pp. 387-389.

[28] Doc. LXXI-84: Zeitsche: Notes for legate Schleier, Paris 28.02.1942, In: Klarsfeld: Vichy, pp. 400-01.

[29] Doc. 283, Paris 11.09.1942, in „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“, Serie E, Bd. III: 01.10.-31.12.1942.

[30] Doc. XXVI-40: File note, Paris 04.07.1942, in Klarsfeld: Vichy, pp. 422-425.

[31] Doc. XLIX-35: Letter to the RSHA, Paris 06.07.1942, In Klarsfeld: Vichy, pp. 427-28.

[32] Zuccotti: The Holocaust, p. 99.

[33] Zuccotti: The Holocaust, pp. 100-01.

[34] Doc. 12 („Notes of Unterstaatssekretär Luther“), Berlin 06.10.1942, in ADAP, E III, 01.10.-31.12.1942.

[35] Gerlach; Aly: Das letzte Kapitel, p. 81.

[36] Doc. 100 (“The legate in Budapest von Jagow to the Foreign Office”), Berlin 27.10.1942, in ADAP, E III, 01.10.-31.12.1942.

[37] Doc. 245 (“The Hungarian legation in Berlin to the Foreign Office”), Berlin 02.12.1942, in ADAP, E III, 01.10.-31.12.1942.

[38] Doc. 250 („Notes of Unterstaatssekretär Luther“), Berlin 03.12.1942, in ADAP, E III, 01.10.-31.12.1942.

[39] Ránki, György: Unternehmen Margarethe. Die deutsche Besetzung Ungarns (Budapest: Corvina Kiadó, 1978), pp. 9-11.

Fascism in interwar Central Europe

Fascism can without doubt be called one of the most difficult terms to use, since there are innumerable definitions, both those already existing during its existence and after 1945[1]. This essay, however, pursues the question of what made the various movements of the extreme right so popular in the time between 1918 and 1945, rather than discussing the different definitions. In geographical terms, the answer to this question is limited to Central Europe, a region of which also a variety of definitions exists. In general terms, the essay examines the successor states of the Habsburg Monarchy. In particular, the fascist movements of Hungary and Romania will be analysed, for two simple reasons: for one thing, only in those two countries, except for Austria, the fascist movements became mass movements, and for another, the argument of fascism being only successful in the countries defeated in the First World War and territorial ambitions resulting from this defeat is weakened.

Although not even the variety of historiographical definitions and theories on fascism can be summarized here, a working definition of fascism is necessary, both to define the object of the study and to give a theoretical background to the concrete arguments. On the one hand, Roger Griffin’s concept of fascism as a “palingenetic form of populist ultra-nationalism” shows how all fascist movements are built around the idea of a resurrection of the nation in times in which the old order seems doomed and should thus be replaced by a nation which is not based on any tradition of Enlightenment humanism or any form of “traditional” or “rational” forms of politics.[2] On the other hand, Noël O’Sullivan’s concept of fascism as an “activist style of politics” provides an important addition to the idea of re-building the nation: it is based on the cult of violence and performed in a theatrical way, which should help replace rational politics with a political myth based on emotion.[3]

In addition, antisemitism is understood as an integral part of fascism in Central Europe. According to Stephen Beller, it was part of a social and economic modernization. By rejecting both the socialist and the capitalist versions of modernity, which they both associated with “Judaism”, antisemites built their own irrational modernity. The rebirth of the nation did in Central Europe per se entail the exclusion of the Jewish fellow citizens, since they were, in the eyes of the antisemite movement, part of another “race”, whose rational modernity was rejected.[4] Yet, fascism was not only exclusive in respect to Jews, it also included all classes of society and intended to combine a worker’s cult with a capitalist nationalism (thus National Socialism). This claim of reuniting the alienated parts of society explains the support of fascism by intellectuals, workers, peasants and, most importantly, members of the petty bourgeoisie.

To begin with, the appeal of fascism cannot be explained without the First World War, which was used to generate a cult of violence and the new concept “that war itself would be the mother of radical transformation and revolution by achieving mass mobilization, the shattering of institutional barriers, and an opening for new social and cultural forces.”[5] In this concept, war was a liberating, positive force which revealed the power of the state. In addition, the war had brought broad domestic alliances, or “truces”, which were then, in the fascist reading, destroyed by the “stab-in-the-back” by communists and Jews.

The war also entailed communist uprisings in both Hungary and Romania and can generally be seen as a time of mass political culture, in which modern political and social ideologies became mass movements. In both cases, the identification of the short left-wing uprisings, especially Béla Kun’s Hungarian Soviet Republic, with “Judeo-Bolshevism” is crucial to understand the importance of anti-Communism for the appeal of fascism. As Payne puts it, fascism thrived “on its opposition to socialism and communism, to such an extent that it is appropriate to inquire whether fascism could have succeeded without the opportunity to play off that opposition.”[6] This fear of communism was in Romania even strengthened by a fear of the Soviet Union’s territorial ambitions.[7]

Apart from anti-Communism, the appeal of fascism consisted to a large extent of the unsolved land question in mostly rural Central Europe. The problem remained unsolved by the conservatives after the war and the Left was unable to solve it, since Communist parties – in consequence of the left-wing uprisings – were prohibited and the Social Democrats, although in Hungary part of the parliament until 1944, did not even try to organize the agricultural labourers due to their weak position.[8] In this situation, the extreme Right seemed the only possibility for the mass of impoverished peasants to improve their situation. In Romania, Codreanu’s Iron Guard depicted the peasantry as the essence of Romania and thus used the social situation to announce the palingenesis of the (peasant) nation.[9] In addition, the absence of a communist or powerful social-democrat alternative in the political spectrum of both countries can also explain the support of the various fascist movements by workers. A part of the appeal of fascism might thus for some simply have been the absence of an alternative.

Especially in Hungary also the success of Germany in its foreign policy from 1938 onwards contributed to the popularity of fascism, since Germany was – not only by the fascists – seen as the force which could help Hungary reverse the terms of the treaty of Trianon and regain at least parts of its pre-war territories. Interestingly, even in Romania, where fascism arose before the loss of territories due to the Second Vienna Award in 1940, the Legion as pro-German force gained strength after France’s defeat and thus the loss of Romania’s traditional protective power.

Yet, the appeal of fascism in Central Europe was not its importation from and its links to Italy and Germany, but rather that it appeared native and natural from within, which is essential for the fascist’s argument that they would rebuild the eternal nation, which of course only Hungarians or Romanians, respectively, could do.

To understand the above mentioned concept of antisemitism as a rejection of a supposedly Jewish rational modernity, we must have a closer look at the history of pre-war anti-Jewish thought in both countries and Central Europe in general. Most importantly, in the nineteenth century a shift occurred from the Enlightenment idea of Jewish emancipation by means of losing a Jewish identity and gaining a new national identity instead to a racial thinking, underpinned by biological “science”, that Jews were a separate “race” which could by no means participate in the national project. In broader terms, the definition of modernity had shifted to a more collectivist model and race had become the defining category of the idea of the nation state. In Hungary this kind of antisemitic and proto-fascist propaganda had been tackled by the elites before the war, which saw the Jews as the economic backbone of modernization and a means of gaining a Magyar majority in Transleithania. After 1919, however, Jews were seen – not only by fascists – as communist traitors and no longer needed to be labelled Magyars, and thus became the main victim of the fascist propaganda. In Romania, Codreanu could build on the discrimination against Jews of pre-war governments, which declared that most Jews in Romania were foreign and hence not citizens. This exclusion of one group of the Romanian society became even more radical after the gain of new territories in 1920, where many only Yiddish-speaking Jews were living.[10] The idea of Jews not being part of the nation emerged thus in both cases in the long nineteenth century and can be – in spite of the different reaction to Jews of pre-war governments – considered a central part of the building of a new society.

In conclusion, the appeal of fascism can be explained not only by the direct effects of the war – the short-lived communist uprisings and the economic situation –, but rather in the fascist modernity with its roots in pre-war European thought and its association of both capitalist and Marxist modernity with the “Jewish question”. In addition, long-term problems as the land question remained unsolved in the rural societies of Central Europe and an argument for the fascist revolution, which would rise phoenix-like out of the ashes of the old state. Jews could by racial definition not be part of this new and at the same time eternal Volksgemeinschaft.

Bibliography

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[1] For an overview see: Griffin, Roger: The Nature of Fascism (London: Routledge, 1993), pp. 1-8.

[2] Ibid.

[3] O’Sullivan, Noël: Fascism (London: Dent, 1983).

[4] Beller: Antisemitism. A Very Short Introduction, Second Edition (Oxford: Oxford University Press, 2015).

[5] Payne, Stanley G.: Civil War in Europe, 1905-1949 (Cambridge: Cambridge University Press, 2011), p. 18.

[6] Ibid, p. 68.

[7] Passmore, Kevin: Fascism. A Very Short Introduction (Oxford: Oxford University Press, 2002), p. 85.

[8] Carsten, F. L.: The Rise of Fascism, Second Edition (Berkeley: University of California Press, 1980), p. 172.

[9] Passmore: Fascism, p. 83.

[10] Beller: Antisemitism, p. 11-87.

Wohnungsbau in Rom und Moskau in den 1920er Jahren im Vergleich

Der gewaltige „Palast der Sowjets“ (oder vielmehr dessen Plan) inmitten stalinistischer Prunkarchitektur auf der einen Seite, die freigelegte Via dell’Impero oder die Città Universitaria auf der anderen Seite. Das könnten die ersten Assoziationen zum Städtebau im sozialistischen Moskau und dem faschistischen Rom sein. So bedeutend diese propagandistischen Großprojekte auch sind, reicht ein Blick auf sie bei weitem nicht aus, um den politischen Gehalt der städtebaulichen Hauptstadtpolitik zu erschließen. Gerade vom vielleicht marginal erscheinenden Bereich des alltäglichen Wohnens und des dafür nötigen Wohnungsbaus geht also diese Arbeit aus und sucht durch eine vergleichende Perspektive einen breiteren Blickwinkel zu erreichen.

Interessant macht den Vergleich gerade Moskaus und Roms die fast zeitgleiche Machtergreifung der beiden neuen, jeweils auf ihre Weise revolutionären und sicherlich durch den 1. Weltkrieg erst ermöglichten und durch ihn geprägten Regierungen. Sowohl die Bolschewiki unter Lenin also auch die italienischen Faschisten unter Mussolini wollten einen neuen Staat mit einem neuen Menschen, beide verstanden sich als Befreier vom Alten, auch wenn dies in Italien mit einem Antikekult verbunden war. Im Bereich des Wohnungsbaus spiegelt sich dies wie wir sehen werden durch unterschiedliche Herangehensweisen mit trotzdem teilweise ähnlichen Resultaten wieder.

In dieser Arbeit soll dieser Vergleich anhand der Fragestellung durchgeführt werden, was der Wohnungsbau über die jeweiligen Legitimations- und Herrschaftsmechanismen aussagt. Der betrachtete Zeitraum beschränkt sich dabei auf die 1920er Jahre, also von 1917/1922 bis ca. 1930. Dies ist nicht nur des Umfangs der Arbeit geschuldet, sondern auch der Präzision der Fragestellung auf die Etablierungsphase der beiden Systeme. Der betrachtete Gegenstand ist – um die gestellte Frage beantworten zu können – der gesamte Wohnungsbau, es handelt sich also nicht allein um einen Vergleich nur der sozialen Wohnungsbaumaßnahmen. Dies bezieht sich freilich vor allem auf das Beispiel Rom.

Zunächst soll – nach einem kurzen Überblick über die allgemeine Bedeutung des Wohnungsbaus für beide Regime – der ideengeschichtliche Hintergrund verglichen werden, den der Bereich des Wohnens umfasste, um die ideologischen Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Anschließend sollen die Planungen den tatsächlich umgesetzten wohnungsbaulichen Maßnahmen entgegengestellt werden, um die sich im konkreten Handeln ergebenden Herrschaftsmechanismen zu analysieren.

Geschichtlicher Überblick

Zentral für das Verständnis des Faschismus, gerade auch in Bezug auf den Bereich des Wohnungsbaus, ist seine Konzentration auf die die Bewegung tragenden Mittelschichten, deren Kern die „qualitativ stark zunehmenden Angestellten der neu geschaffenen oder ausgebauten staatlichen Institutionen“[1] waren. Bereits in den ersten Jahren nach der Machtergreifung der Faschisten erkennt man in den wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen, die der Bewegung zwar Sympathien beim bürgerlichen Lager einbrachten, jedoch zu Lasten der Arbeiterschaft gingen, die mit Lohnkürzungen konfrontiert wurden, dass sich das Regime in der Hauptstadt vor allem unter den Beamten seine loyalsten Anhänger suchte und fand.[2] Damit verbunden ist die Tatsache, dass der Wohnungsbau in Rom weit mehr als in Moskau von einer Heterogenität geprägt war, die sich durch die später vorgestellten verschiedenen Institute und die nicht wie im sowjetischen Fall aktiv umgestaltete Sozialstruktur ergab. Gleichermaßen wurden Arbeiter- wie Villenviertel für die Oberschicht gebaut, kurz: Die Idee des neuen faschistischen Menschen bedeutete nicht, Klassenunterschiede im Bereich des Wohnens aufzulösen. Vielmehr bestand die Trennung der verschiedenen Schichten weiter, gerade auch, wie wir sehen werden, im Wohnungsbau. Dennoch sollten sie durch die Klammer der faschistischen Partei zusammengehalten werden.

Allgemein gesprochen stand in den ersten Jahren des Regimes der Umbau der Innenstadt im Vordergrund, während die gezielte Stadterweiterung eher in die dreißiger Jahre fällt. Dies wird am Piano Regolatore von 1931 deutlich, der erstmals konkrete Planungen für den Bau neuer Stadtviertel im Erweiterungsgebiet Roms vorsah. Eine erste wichtige, wenn auch mehr oder minder offensichtliche Tendenz im Städtebau Roms war die starke Konzentration auf Repräsentanz und Antikenkult. Der Wohnungsbau spielt zwar auch immer eine für die Legitimation des Regimes wichtige Rolle, dennoch erkennen wir im Unterschied zu Moskau bereits in den 20er Jahren, also noch in der Konsolidierungsphase des neues Regimes, zahlreiche repräsentative Maßnahmen und den Umbau der Innenstadt zu propagandistischen Zwecken.

Moskau bildet ein sehr unterschiedliches Bild, obgleich auch Gemeinsamkeiten vorliegen, die den Vergleich nahelegen. Die wohl wichtigsten Unterschiede zum Fall Rom sind zum einen die soziale Beschaffenheit Moskaus als Industriestadt mit den damit einhergehenden Problemen bzw. der schlechten Wohnsituation der Arbeiterschaft vor dem Krieg und zum anderen die radikalen gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Bolschewiki, die sich bereits in den ersten Jahren nach der Revolution zeigten und in Moskau bemerkbar wurden. Lebten vor 1917 viele Arbeiter in überfüllten Baracken neben den Fabriken am Stadtrand oder im Fall der Unfähigkeit, die Miete im Voraus zu bezahlen, in sogenannten Nachtasylen, verbesserte sich durch die Enteignungen der Bürgerhäuser nach der Revolution zumindest für einige Angehörige der Arbeiterklasse die Wohnsituation. Zudem bestand der Großteil der Häuser noch immer aus Holz und verfügte über keinerlei sanitären Komfort, eine Folge des vor dem Krieg so gut wie kaum realisierten sozialen Wohnungsbaus.[3]

Eine erste allgemeine Tendenz ist der in den zwanziger Jahren vorherrschende Unterschied zwischen Theorie und tatsächlicher Umsetzung wohnungsbaupolitischer Maßnahmen. Die bekannte Planungseuphorie der jungen Avantgarde spiegelt sich auch in den ambitionierten Plänen zur Umgestaltung Moskaus wieder. Zwar finden wir später vorgestellte Ideen des Kommunehauses und der großen Grünanlagen bereits bis 1930 teilweise realisiert, die großen Abrissarbeiten im Zentrum finden jedoch erst im Zuge des Generalplans zur Rekonstruktion Moskaus des Jahres 1935 statt. Mit dem Verbot der Avantgarde und dem Richtungswechsel zum Sozrealismus blieben auch die meisten der Pläne aus den 20er Jahren unverwirklicht.

Der Wohnungsbau steht in der Sowjetunion nicht nur in der Theorie unter einem anderen Vorzeichen als in Italien. Getrieben von der Wohnungsnot und den oft untragbaren hygienischen Bedingungen in der Hauptstadt stehen hygienisch-ökonomische Maßnahmen im Fokus der Baupolitik des Mossowjet[4]. Eine Parallele zur Bevorzugung der staatstragenden Schichten in Italien – im sowjetischen Fall der Parteielite und Spezialisten der Industrie – bildet sich im Bereich des Wohnungsbaus erst im Generalplan der 30er Jahre, als die größeren Wohnungen an den neu erschlossenen Moskva-Ufern diesen Schichten vorbehalten waren.[5]

Planerische Ansätze

Institutionelle Ebene

In Rom setzte das faschistische Regime zunächst auf die großen öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften: Neben dem Istituto per le Case Popolari (PCI), der vor allem im sozialen Wohnungsbau aktiv war wurde das Römische Wohnungsbauinstitut für Staatsbedienstete (IRCIS) für den faschistischen Wohnungsbau eingespannt, das Ende der 1920er Jahre im 1924 gegründeten Nationalen Wohnungsbauinstitut für Staatsbedienstete (INCIS) aufging. Der 1923 gleichgeschaltete ICP war sowohl an den anfänglichen Gartenstädten wie am Bau kompakter urbaner Stadtviertel beteiligt. Neben den eigentlichen Sozialwohnungen für subproletarische und Arbeiterschichten war das Institut aber auch am Bau von preisgünstigeren Wohnungen für den römischen Mittelstand beteiligt. Bis 1929 war das ICP vor allem in den Stadterweiterungsgebieten aktiv, so beispielsweise in der bekannten und später noch zu besprechenden „Garten-borgata“ Garbatella.[6] Der Bau der urbanen Mietshäuser für die Mittelschichten durch das INCIS sollte bevorzugt in hochwertigen innerstädtischen Lagen geschehen. Das Institut sollte – gefördert durch staatliche Mittel – gut ausgestattete Mietwohnungen errichten.[7] Oftmals wurden diese öffentlichen Gesellschaften auch zur Förderung privaten Wohnungsbaus benutzt, zu einem sogenannten „Brückenkopf-Wohnungsbau“[8].

Gegen Ende der 20er Jahre wird eine Wende hin zum privaten geförderten Wohnungsbau deutlich, der private Sektor konnte nun ICP und INCIS durch staatliche Anreize vom Wohnungsmarkt verdrängen.[9] Der ICP konzentrierte sich in dieser Phase nur noch auf den Bau von Wohnungen für die ärmsten Schichten der Bevölkerung.

Die starke Trennung zwischen urban angesiedelter Mittelschicht und der Verdrängung ärmerer Schichten an die Peripherie ist auch auf die liberalistischen Maßnahmen der Regierung wie der partiellen Aufhebung der Mietpreisbindung oder der Abschaffung der Besteuerung von Bauland ein Jahr nach dem Marsch auf Rom zurückzuführen. Eine weitere Verschärfung dieser Tendenz findet sich in der vollständigen Aufhebung des Mietpreisstopps im Jahre 1928, der zwar der Immobilienwirtschaft half, jedoch die Kündigung zahlreicher nicht zahlungskräftiger Mieter zur Folge hatte.[10]

In Moskau unterscheidet sich die institutionelle Situation sehr stark von der vor allem gegen Ende der 20er Jahre stark auf die private Wirtschaft setzenden faschistischen Verwaltung. Hauptverantwortlich für den Wohnungsbau ist der Mossowjet[11], der bereits im April 1918, einen Monat nach der Erklärung Moskaus zur neuen Hauptstadt, die Gründung einer Architekturwerkstatt, die sich mit der Ausarbeitung von Plänen zur Umgestaltung der Stadt beschäftigen sollte, veranlasste.[12] 1921 folgte die Berufung der Sonderkommissionen „Neues Moskau“ und „Groß-Moskau“, die sich jeweils mit der Umgestaltung der Innenstadt und der Peripherie Moskaus befassen sollten.[13] Genau in der hier betrachteten Zeitspanne, von 1920 bis 1930, setzte sich auch die Kunsthochschule WChUTEMAS[14] mit den neuen Formen revolutionärer Architektur auseinander. Die hier erarbeiteten avantgardistischen Pläne – vor allem im Zeichen des Konstruktivismus – flossen beispielsweise in Form von Diplomarbeiten in reale Projektierungen ein. So war etwa die Diplomarbeit „Der Landsitz in Ostankino – Gartenstadt“ Teil des Projekts „Neues Moskau“, auch wenn der Arbeit ein Skizzendasein vorbehalten blieb. Auch studentische Pläne bezogen sich neben vielen anderen Projekten auf den Wohnungsbau, beispielsweise in der Planung für sozialen Wohnraum im „Kommunalen Wohnviertel des Stadtbezirks Chamownitscheski“.[15]

Finanziell wurde der Wohnungsbau durch die 1925 gegründete Zentrale Bank für Kommunal- und Wohnungshaushalt („Zekombank“) gefördert, die den Beginn des Massenwohnungsbaus ab 1925 ermöglichte.[16] Zudem kam es im Zuge der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) auch zur Förderung privaten Wohnungsbaus, was jedoch fast ausschließlich zum Bau eingeschossiger Holzhäuser führte.[17]

Eine allgemeine Tendenz in der institutionellen Struktur des Wohnungs- und Städtebaus in Moskau sind die zahlreichen Wettbewerbsausschreibungen, die mal nur einzelne Wohnblöcke betrafen, mal ganze Stadtviertel. Beispielsweise wurde der 1922 „unter der Schirmherrschaft des Mossowjet von der ‚Moskauer Architekturorganisation‘ MAO ausgeschriebene Wettbewerb zur ‚Erstellung von Arbeitermusterhäusern‘“[18] richtungsweisend für die folgende Bauperiode. Ein anderes Beispiel ist der Wettbewerb um die ‚Grüne Stadt‘ an der Moskauer Peripherie von 1929/30: der letztlich gescheiterte Wettbewerb zeigt trotz des am Ende ausgeblieben Erfolgs durch die zahlreichen unterschiedlichen eingereichten Pläne die offene Debatte und zugleich die Wichtigkeit des grünen, besseren Wohnens und Lebens zumindest in den Planungen der Stadt.[19]

Bereits im Vergleich der institutionellen Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in Rom und Moskau zeigen sich elementare Unterschiede. Dem sozialistischen Stadtrat mit seinen Wettbewerben, in denen sich die Avantgarde mit ihren Vorstellungen über die neue Stadt und das neue Leben einbringen können, stehen zwar ebenso öffentliche Wohnungsbaugesellschaften entgegen, die jedoch immer mehr vom Markt verdrängt werden und dem kapitalistischen Wohnungsbau weichen müssen. Zudem wird bereits aus der Aufteilung der Gesellschaften für sozialen und bürgerlichen Wohnungsbau der Charakter des faschistischen Italiens als weiterhin kapitalistisch geprägte Nation deutlich, dem sich zumindest in den ersten Jahren der bolschewistischen Herrschaft im Bereich des Wohnungsbaus in Moskau keine vergleichbare Hierarchie als Vergleichsgegenstand anbietet.

Das Konzept der Gartenstadt

Eine interessante Parallele in der Konzeption des Wohnungsbaus bildet die Idee der Gartenstadt, die in beiden betrachteten Fällen zu Beginn der 20er Jahre eine Rolle spielt. In beiden Fällen ist die Idee kein neues, für das jeweilige Regime spezifisches Konzept. Die ursprünglich aus England übernommene Idee der ‚Garden-City‘[20] ist bereits vor der Etablierung der beiden neuen Regime in beiden Staaten anzutreffen.

In Rom beschränkt sich das Konzept auf die beiden Garten-Vororte Garbatella und Aniene, die beide bereits vor 1922 begonnen und von den Faschisten fertig gebaut wurden. Die Idee hinter diesen beiden Garten-Vororten war eine Dezentralisierungspolitik, die jedoch aufgrund massiver Kritik an dem Vorhaben schon bald ihr Ende fand. Das bekannte und oft zitierte Beispiel Garbatella wird später genauer betrachtet.

In Moskau gewinnt das Konzept Gartenstadt mehr an Bedeutung als in Italien. Die Idee, das Problem der Wohnungsnot durch außerhalb der Stadt liegende kleine Städte im Grünen zu lösen, bestimmte die Planungen um das neue Moskau in der ersten Hälfte der 20er Jahre maßgeblich. Zahlreiche Pläne und beispielsweise der bereits zitierte Wettbewerb um die ‚Grüne Stadt‘ Ende der 20er Jahre greifen auf das Konzept zurück, das in Russland bereits durch die Gründung einer Gartenstadtbewebung 1913 seine Fürsprecher besaß. Die Stärke der Idee der Gartenstadt erwuchs dabei aus den sozialen und ökonomischen Faktoren, die nach dem Bürgerkrieg in der Stadt vorherrschten. Den Rückgang der Bevölkerung durch die Schließung vieler Fabriken, Hunger und Epidemien fassten viele Städtebauer als Beginn der Dezentralisation der Großstädte auf und wollten dem durch die neue Siedlungsform am Stadtrand begegnen.[21] Auch die Idee des kollektiven Lebens spiegelte sich in den ersten Jahren in dieser Art der eher bäuerlichen Gemeinschaft wieder.[22] Deutlich wird die beschriebene Tendenz daran, dass im Entwurf des Projekts ‚Neu-Moskau‘ von 1924 um die Stadt ein Ring an Gartenstädten vorgesehen war, der durch eine gute Verkehrsanbindung mit der Innenstadt verbunden sein sollte.[23]

Es wird deutlich, dass das Konzept der Gartenstadt im sowjetischen Fall für die weiteren Planungen von größerer Bedeutung war, was man auch im in den Planungen stets vorhandenen großen Fokus auf ausreichende Grünanlagen in und außerhalb der Stadt sieht, auch wenn gerade das Beispiel Garbatella in Rom zeigt, welche doch wichtigen Spuren die Idee im Stadtbild hinterließ. Interessant ist, dass die Idee, die Probleme der modernen Großstädte durch eine Auslagerung von Wohnraum an die Peripherie der Stadt, um bessere Wohnbedingungen zu erreichen – dies war in Garbatella und Aniene anders als bei vielen der borgate auch in Rom der Fall –, keine Tendenz eines spezifischen Systems war und auch von beiden Regimen nur übernommen wurde.

Gesamtplanung

1923 wurde aufgrund des unkontrollierten Wachstums der außerhalb des Regulierungsplans von 1909 liegenden Peripherie von Rom eine Kommission einberufen, die einen neuen, den Umständen entsprechenden Regulierungsplan erstellten sollten. Dieser trat 1931 in Kraft und sah erstmals eine Einteilung der Neubauten in verschiedene Typen vor. „Nur 15 % des Neubestandes verteilten sich auf eine intensive Blockbebauung, 30 % gingen auf einzeln stehende Mehrfamilienhäuser und 28 % auf Ein- und Zweifamilienhäuser. Die restlichen 27 % des gesamten Wohnbauvolumens waren für Villen und Reihenhäuser vorherbestimmt worden.“[24] Für den Zeitraum bis 1931 kann man jedoch noch keinen faschistischen Gesamtplan mit festen Vorgaben erkennen.

Zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist auch die Haltung der Faschisten und hierbei insbesondere Mussolinis zur Stadt insgesamt. Eine allgemeine Skepsis in Bezug auf große Menschenansammlungen in Metropolen und die Sympathien für das dörfliche Leben hatten jedoch auf Rom keinen großen Einfluss. Zwar erkennt man in den 30er Jahren teilweise den Willen, den Zuzug vor allem ärmerer Einwohner aus dem Süden Italiens zu stoppen, im hier betrachteten Zeitraum war jedoch Rom als Hauptstadt den großtstadtfeindlichen Tendenzen nicht ausgesetzt. Vielmehr sollte die Stadt, um in Konkurrenz zu den andern europäischen Metropolen treten zu können, stark anwachsen und die 2 Mio.-Einwohner-Marke erreichen.

Franz Bauer vertritt in seinem Buch „Rom im 19. und 20. Jahrhundert“ die These, Mussolini sei am Wohnungsbau nichts gelegen gewesen und er betreffe nur ein allgemeines Problem jedes Staates: „Die Wohnungsfrage gehörte zu jener Kategorie von Aufgaben, die Mussolini als problemi della necessità klassifiziert hatte: Imperative des politischen und administrativen Handelns, […], die aus elementaren Bedürfnislagen kommen, Handlungszwänge, die letztlich ideologieunabhängig sind und bei denen Pragmatik vor Dogmatik geht.“[25] Natürlich ist es richtig, dass der Bau von Wohnungen zur Aufgabe jedes Staates gehört oder gehören sollte, jedoch wird meiner Ansicht nach durch diese Sichtweise nicht berücksichtigt, dass die Entscheidung, welche Art von Wohnungen in welchem Umfang an welcher Stelle gebaut werden, einen großen Einfluss auf die Bevölkerung hat. Natürlich sind die großen Monumente im Zentrum, die Città Universitaria oder die freigelegten antiken Bauten von größerer propagandistischer Wirkung. Über Konsens und Machtsicherung sagen die verschiedenen Wohnbauten, gerade in Rom, jedoch mehr aus. In Bezug auf den Gesamtplan bedeutet dies, dass das Fehlen von allumfassenden Plänen einer Neugestaltung der Hauptstadt vor allem im Wohnungsbereich, wie wir sie in Moskau gleich sehen werden, auch der nicht allumfassenden Herrschaft Mussolinis und der faschistischen Partei neben König und auch Papst und dem klassenstrukturierten Gesellschaftsmodell entsprach.

In Moskau gewinnt die Gesamtplanung durch die bereits erwähnte Hauptstadtwerdung 1918 eine neue Bedeutung. Nachdem die ersten Maßnahmen der neuen Machthaber reine Strukturveränderungen sind – so etwa die bereits erwähnten Umsiedlungen von Arbeitern in Häuser der ehemaligen Oberschichten[26] – wird bereits in den ersten Jahren mit der Neuplanung Moskaus begonnen. Der erste Plan der 1918 gegründeten, bereits erwähnten Architekturwerkstatt, wurde bereits im Dezember 1918 einem Gremium der Abteilung für Stadtplanung des VSNCH[27] vorgelegt und positiv aufgenommen. Neben dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der Metro, sollten neue Wohnbauflächen erschlossen werden. Wichtig für diese Arbeit ist auch der Fokus auf eine Verbesserung der allgemeinen hygienischen Bedingungen, die u.a. durch zahlreiche Grünanlagen in der Innenstadt erreicht werden sollte.[28] Natürlich ist der Fokus auf die Verbesserung der Lebensbedingungen zu Beginn der bolschewistischen Herrschaft auf die Situation in der Stadt zurückzuführen, die wohl keinem Vergleich mit Rom genügen. Dennoch ist meiner Meinung nach wichtig zu betonen, dass die ersten Planungen bis Ende der 20er Jahre von repräsentativen Ideen, die mit der Freilegung der antiken Bauten in Rom vergleichbar wären, zugunsten der Verbesserung der sozialen und ökonomischen Situation der Arbeiter absahen. Wie im Fall Roms kann hier ebenfalls das Argument angeführt werden, dass sich die neue Regierung ebenso wie die Faschisten auf die Bevölkerungsgruppe stützten, durch die sie ihre Herrschaft durchsetzten und legitimierten, also die Arbeiterschaft.

Auch das Projekt ‚Neues Moskau‘ sah eine allgemeine Entlastung der Innenstadt vor. Neben dem Ring aus Gartenstädten sollten auch die Bahnhöfe in einen Entlastungsring außerhalb der Innenstadt verlegt werden. 1923 schließlich fiel nicht nur der Beschluss des Baus der Moskauer Metro, deren erste Planungen um 1900 fallen, als man sich bereits vor der Elektrifizierung der Straßenbahnen Gedanken über die Errichtung von Untergrundbahnen machte[29], und deren Idee im Verlauf der zwanziger Jahre bis zur politischen Entscheidung 1931 immer präsent blieb[30]. Es wird auch durch die ‚Erste Allrussische Landwirtschaftsausstellung‘, so viel sei hier vorweggenommen, ein erster Ansatz des Planentwurfs ‚Neues Moskau‘ zur Begrünung der Stadt vorgenommen. Durch die Ausstellung wurde ein „mehr als 65 Hektar umfassendes Gebiet städtebaulich erschlossen, gestaltet und begrünt. […] Die Ausstellung, die eine Ausdehnung der Stadt nach Süden in den Bereich der Sperlingsberge vorsah, ‚war als Anfang einer aktiven und ausgedehnten Bautätigkeit in der Hauptstadt der Republik gedacht.‘ Sie sollte der Anfang des ‚Neuen Moskau‘ sein.“[31]

Das parallel laufende Projekt ‚Groß-Moskau‘, „das im Auftrag der Moskauer Kommunalwirtschaft (MKCH) von einer Kommission unter dem Vorsitz von Sergej S. Žestakov ab 1921 bearbeitet wurde und parallel zu den Planungen des ‚Neuen Moskau‘ entstand, wurde 1925 in Form einer Broschüre veröffentlicht.“[32] Darin hieß es:

‚Moskau wurde wieder staatliches Zentrum […]. Deshalb besteht Grund zu der Annahme, dass Moskau sich in Zukunft in eine der größten Städte der Welt verwandeln wird […]. Die natürliche Entwicklung der Stadt und die erforderliche Erweiterung ihres Territoriums muss früh genug bedacht werden […]. Die Bevölkerung Moskaus wird in 20 Jahren, d.h. 1945, auf vier Millionen anwachsen.‘“[33]

Aufgrund des hohen Sanierungsbedarfs sollte die Stadt nicht komplett neu gebaut werden, sondern vielmehr durch Auflockerung dicht besiedelter Bezirke sowie Straßenregulierungen in der Altstadt und Gartenstädten in der Stadtrandzone umgebaut werden.[34]

In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre erkennt man ein Hineinwachsen in den Gesamtwirtschaftsplan des Landes. Die Industrialisierung spielte nun eine immer wichtigere Rolle, vor allem ab Beginn des ersten Fünfjahrplans 1928. Trotz eines Entgegenwirkens blieb der Wohnungsbau immer mehr hinter dem Industrieaufbau zurück. Die 1927 erfolgte ‚Verordnung über Maßnahmen zur Verwirklichung von Arbeiterwohnungen‘ und der Beschluss ‚Über die Wohnungspolitik‘ von 1928 sollten der Wohnungsnot, die durch den massiven Zuzug vom Land in die neuen Industrien der großen Städte, insbesondere Moskaus, vorherrschte, entgegenwirken, brachten jedoch keine endgültige Lösung des Wohnungsproblems.[35]

Bei der Betrachtung der Gesamtplanung der beiden Städte fällt auf, dass der Wohnungsbau in der Gesamtplanung eine sehr unterschiedliche Rolle einnimmt. Natürlich muss jedoch zunächst die sehr unterschiedliche soziale und ökonomische Situation betont werden. Während in Rom zwar durch den Zuzug aus dem Süden, die Vergrößerung des Verwaltungsapparats und nicht zuletzt durch die Pläne, Roms Einwohnerzahl auf 2 Mio. zu erhöhen, stets Wohnungsknappheit vorherrschte, ist die Lage im durch Bürgerkrieg, Hungersnot und Rückgang der Bevölkerung in den ersten Jahren der bolschewistischen Herrschaft geprägten Moskau doch durchaus dramatischer. So beginnen die ersten Wettbewerbe um Entwürfe des Palasts der Sowjets erst in den dreißiger Jahren, nach der Konsolidierung des neuen Staates und der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, während in Rom bereits in den 20er Jahren mit den repräsentativen Maßnahmen im Zentrum begonnen wird.

Detailplanungen

Neben der Gesamtplanung lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Pläne bezüglich der verschiedenen Häusertypen und kleineren Wettbewerbe zu werfen. Auffällig ist die Breite an verschiedenen Gebäudeklassen im römischen Wohnungsbau, die neben der erwähnten Unterscheidung in Bevölkerungsschichten auch eine architektonische Vielfalt mit sich brachten.

Anders als der erste Blick auf die Baracken am Stadtrand vermuten lässt sollten die borgate zumindest in der Theorie eine Verbesserung der Lebens- und Wohnbedingungen mit sich bringen und zudem zur Rurifizierung beitragen[36], was jedoch in den meisten Fällen nicht zutraf. Neben dem bekannten Beispiel der borgate wurden im Bereich des sozialen Wohnungsbaus auch sogenannte case pololari errichtet, die bereits vor 1922 gebaut worden waren, als nach der Hauptstadtwerdung 1870 Arbeiterwohnungen benötigt wurden. Diese Sozialbauten, die vor allem vom ICP gebaut wurden, konnten verschiedene Formen annehmen und konnten oft nicht von Mittelklasse-Häusern unterschieden werden. Nach der Machtübernahme Mussolinis wurden diese Sozialbauten von den Faschisten weitergeführt.[37] Neben den meist eingeschossigen borgate in der Peripherie gab es also auch mehrgeschossige Häuser bis hin zu den ‚superblocchi‘ genannten dicht bewohnten Mietskasernen für die ärmeren bzw. Arbeiterschichten.[38]

Im Wohnungsbau für die eher bürgerlichen Schichten kann man zunächst den Siegeszug des Haustyps palazzine erkennen, einzuordnen zwischen den Intensivbauten und den kleineren villini, die bisher den Großteil der Wohnhäuser in Rom bildete. Im Rahmen des Generalbebauungsplans von 1909 wurde erstmals der Bautyp villino festgelegt, ein maximal dreigeschossiges freistehendes Gebäude. 1920 wurde die Bauordnung durch ein Dekret modifiziert, das 1925 von den Faschisten bestätigt wurde. Dadurch wurde auch der Bautyp der palazzine festgelegt. Entscheidend ist die erhöhte Geschosshöhe von fünf Geschossen, was eine intensivere Bebauung der städtischen Gebiete ermöglichte. „Die palazzine wurde zum dominanten Bautyp für bürgerliche Schichten und prägte ganz neue Stadtteile.“[39]

Dennoch muss betont werden, dass sich in vielen Fällen auch beim Bau kompakter urbaner Quartiere keine vollständige Trennung in Bewohner der Mittel- und Unterschicht erkennen lässt. Eine solche Trennung lässt sich vielmehr zwischen den Bewohnern der abgelegenen Borgate und den urbanen Quartieren ziehen, innerhalb derer es natürlich Abstufungen gab. „Im sozialen Wohnungsbau wurden keineswegs vorrangig hoch verdichtete Bautypen errichtet, sondern – wie beim mittelschichtsorientierten Wohnungsbau – palazzine, während für Wohlhabende neben palazzine auch villini und richtige Villen gebaut wurden.“[40] Die These des rein auf die Bindung an den Mittelstand setzenden Wohnungsbaupolitik muss also ein wenig abgeschwächt werden: Zwar erkennt man in der Idee der Borgate Verdrängungsmechanismen des Subproletariats, jedoch kann nicht davon gesprochen werden, dass die unteren Schichten im Ganzen aus der Stadt verdrängt und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden sollten.

Ein bisher noch nicht erwähnter Punkt ist die Parallele der Idee des kollektiven Lebens, die in beiden Regimen, wenn auch in Rom nur in kleinem Ausmaße, existierte. Soll im Fall von Moskau darauf gleich intensiver eingegangen werden, muss hier das Beispiel Garbatella genügen, in dessen zum temporären Aufenthalt vorgesehenen ‚alberghi collettivi‘ oder ‚alberghi popolari‘ kollektive Einrichtungen wie Gemeinschaftsküchen errichtet wurden.[41] Franz Bauer meint dazu:

„Ähnliche Ideen eines mit Gemeinschaftseinrichtungen kombinierten sozialen Wohnungsbaus hatten damals Konjunktur in der europäischen Architektenavantgarde […]; sie entsprachen dem kollektivistischen Menschenbild der Zeit und ihren Vorstellungen von der Wünschbarkeit oder Notwendigkeit sozialer Disziplinierung und ökonomischer Rationalisierung der Lebensführung der industriellen Massen. Der von ‚linken‘ und ‚rechten‘ Ideologien und Regimen der Zwischenkriegszeit gleichermaßen propagierte Idealtypus eines selbstlos gemeinschaftsorientierten, seine Individualität bereitwillig dem Kollektiv unterordnenden ‚Neuen Menschen‘ wies dabei erstaunliche Parallelen auf.“[42]

Das auch bald gescheiterte Projekt der ‚alberghi collettivi‘ jedoch mit den vielfältigen, gleich zu besprechenden Plänen und auch Umsetzungen in der UdSSR auf eine Linie zu stellen, finde ich angesichts der großen gesellschaftlichen Unterschiede in Italien, die wie gesehen vom Regime auch gewollt waren, eine etwas zu steile These.

Im Fall Moskau steht bei den Detailplänen die Frage des neuen, sozialistischen und kollektiven Lebens im Vordergrund. Drei Wettbewerbe sind hierfür von besonderer Bedeutung. Im ersten, 1922/23 ausgeschrieben, wurden „Wohnkomplexe mit einem Netz von Versorgungseinrichtungen auf begrenzter Fläche inmitten vorhandener Bebauung [gefordert]. Nach dem Programm sollten beide Wohnviertel aus zwei Wohnbautypen (separate Wohnungen für Familien und Gemeinschaftswohnungen für Alleinstehende) bestehen, aus Klub, Kindergarten und Krippe, Gemeinschaftsküche mit Kantine, Bädern, Wäscherei, Garage usw.“[43] Die Breite der verschiedenen eingereichten Entwürfe von Cottagehäusern, Sektionsbau oder Kommunehäusern zeigt, wie offen die Debatte zu dieser Zeit war. Zugleich macht der Wettbewerb die Abkehr vom Konzept des Einzelanwesens deutlich, das von den Vertretern der Gartenstadt bevorzugt wurde sowie das „Suchen nach neuen Gebäudetypen, die Wohnräume und solche für kommunale und gesellschaftliche Zwecke besaßen.“[44]

Im 1925 ausgeschriebenen ‚2. Wettbewerb zur Erstellung eines kommunalen Haustypes‘ war die Idee des kommunalen Wohnens ebenfalls vorhanden. In dem geplanten Wohnkomplex für 750 bis 800 Personen sollten die Individualhaushalte keine eigenen Küchen erhalten. Die Aufteilung in Wohnungen für Alleinstehende, Paare und Familien war genau vorgegeben. Der ausgewählte Entwurf sah Wohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen in einem Gesamtgebäudekomplex in unterschiedlichen Stockwerken vor und wurde zwischen 1926 und 1928 tatsächlich realisiert.[45]

In den sowjetischen Planentwürfen wird nicht nur die Zukunftseuphorie in der jungen Sowjetunion deutlich, sondern durch die Vorgaben der von staatlicher Seite ausgeschriebenen Wettbewerbe auch die Tendenz der Verwirklichung des neuen sozialistischen Lebens. Natürlich ist der Vergleich mit den tatsächlich vollzogenen Bauvorhaben im anschließenden Kapitel wichtig, um diesem Punkt kein zu großes Gewicht zu geben, dennoch kann man festhalten, dass die Idee des neuen Menschen in den 20er Jahren eine große Rolle spielte. Ernüchterung macht sich freilich breit, betrachtet man die Schnittmenge zwischen den Plänen in den 20er Jahren, gerade auch denen in gesamtplanerischer Hinsicht – geradezu grotesk wirkt auf uns heute die Idee der „Fliegenden Stadt“ mit beweglichen Kommunehäusern in der 1928 vorgelegten Diplomarbeit „Stadt der Zukunft“ von G. Krutikov[46] –, mit der Umsetzung dieser Pläne in den 30er Jahren und dem ‚Ende der sozialistischen Stadt‘[47] im Generalbebauungsplan von 1935.

Im Vergleich mit Rom möchte ich hervorheben, dass hier eine Gleichsetzung der beiden neuen, durch den 1. Weltkrieg ermöglichten ‚Gewaltregime‘ auf Grundlage einer wie auch immer gearteten Totalitarismus-Theorie nicht wirklich greift. Im betrachteten Zeitraum erkennen wir deutliche Unterschiede zwischen dem auf Klassenunterschiede setzenden faschistischen Regime mit seiner die römische Antike rezipierenden Propagandabaupolitik und dem leninistisch organisierten Moskau mit seinen Umsiedlungsmaßnahmen, Maßnahmen für bessere und hygienischere Wohnbedingungen und seinen ersten Ansätzen des kommunalen Wohnens. Mit Gewissheit lässt sich jedenfalls sagen, dass die beiden Regime ihre Herrschaft primär auf unterschiedliche Gruppen stützten und auch auf diese ausrichteten. Dabei möchte ich aber ebenso nicht behaupten, die Wohnungsprobleme im sozialistischen Moskau seien durch die Maßnahmen der Bolschewiki und die avantgardistischen Ideen des kollektiven Wohnens gelöst worden und die Situation in der Sowjetunion der 20er Jahre oder die von den Bolschewiki ausgehende Gewalt in irgendeiner Art und Weise schönreden oder rechtfertigen, schließlich wurde in diesem Kapitel auch erst die Theorie und Planung hinter dem Wohnungsbau betrachtet.

Die Wende um 1931

Gegen Ende der von uns betrachteten Periode, also in einer Phase der bereits geschehenen Etablierung beider neuer Systeme – auch wenn wir im Falle der Sowjetunion natürlich die Errichtung der stalinistischen Diktatur berücksichtigen müssen –, kommt es zu einem Wandel im Städte- und Wohnungsbau. Harald Bodeschatz sieht in seiner vergleichenden Perspektive in der Hinwendung zu mehr repräsentativen Bauten, auch im Wohnungsbau, einen Wettbewerb der drei Staaten Deutschland, Italien und Sowjetunion bzw. der Systeme Stalinismus, Nationalsozialismus bzw. Faschismus.[48] Weniger interessant als die bekannten Repräsentationsbauten wie der geplante Palast der Sowjets oder die EUR, die Città Universitaria oder die Sportstadt in Rom ist für unsere Herangehensweise zumindest ein kurzer Ausblick auf den Wohnungsbau der 30er Jahre, der sich in vielem von jenem in den ersten etwa zehn Jahren der beiden Regime vollzieht. Am Eindrücklichsten dabei sind neben dem Bau der Metro, deren erste Linie bereits 1935 in Betrieb genommen wird und dem lange geplanten Moskva-Volga-Kanals freilich die neuen, im Zuge des Generalplans an den freigelegten Moskva-Ufern entstandenen besseren Wohnungen für die neue Eliten des stalinistischen Systems, die für die Industrialisierung unabdingbar waren. Es entsteht also eine interessante Parallele zur Fixierung auf den staats- bzw. systemtragenden Mittelstand in Italien. Hier kann man in den 30er Jahren zunächst einen noch stärkeren Unterschied zwischen Barackenbewohnern und reichen Stadtbewohnern ausmachen, obgleich das Problem der – oft auch illegalen – Borgate nun erstmals konkret, auch von Mussolini selbst, angegangen wird und der Bau neuer, besser ausgestatteter borgate die zunehmenden illegalen Baracken ersetzen soll.[49] Eine weitere interessante Parallele in diesem Zusammenhang ist der zunehmende Drang zur Begrenzung des Zuzugs neuer Bevölkerungsgruppen, der die bestehende Wohnungsnot noch verstärkte. In Moskau versuchte man dem durch den Fünfjahrplan entstandenen massiven Zuzug ehemaliger Dorfbewohner in die großen Städte durch die Einführung eines Inlandspasses begegnet[50], in Rom kam in den 30er Jahren die Idee auf, Zuwanderer aus anderen Teilen Italiens in ihre Herkunftsorte zurückzuschicken, was jedoch nur sehr begrenzt funktionierte.[51]

Umgesetzte wohnungsbauliche Maßnahmen

Sagt der planerische und ideengeschichtliche Aspekt des Wohnungsbaus zwar viel über die jeweiligen Legitimationsgrundlagen aus, so bedarf es zur Analyse der tatsächlichen Herrschaftsausübung auf diesem Feld auch der Betrachtung der umgesetzten Maßnahmen, die sich vor allem in Moskau teils stark von den zahlreichen Planungen unterschied.

Rom

In Rom sticht, verglichen mit Moskau, wie wir gesehen haben die Fülle an verschiedenen Häusertypen im Wohnungsbau hervor. Nach der im vorigen Kapitel vorgenommenen eher theoretischen Unterteilung ist nun auch von Bedeutung, welche dieser Typen in welchem Umfang an welcher Stelle gebaut wurden. Um den sozialen Wohnungsbau richtig verstehen zu können, muss zunächst noch auf die bisher noch nicht erwähnte Verdrängung vieler Römer aus der Innenstadt verwiesen werden. Durch die Abrissarbeiten im Rahmen der Freilegung antiker Monumente und allgemein die Innenstadtrekonstruktion wurden zahlreiche ehemalige Innenstadtbewohner an die Peripherie verdrängt.[52] Die 1924 errichtete borgate Acilia beispielsweise wurde für jene Menschen errichtet, die durch die Abrissarbeiten um das Nationaldenkmal ihre Wohnung verloren hatten.[53]

Bei der Verteilung der Investitionen des ICP fällt auf, dass im Zeitraum von 1922 bis 1926 9% direkt auf den Bau von Wohnungen in Schnellbauweise für diese aufgrund der Abrissarbeiten im Zentrum verdrängten Familien und 8% auf reguläre Wohnungen für Gekündigte entfallen. Neben diesen auf durch die faschistische Politik selbst herbeigeführte Wohnungsnot antwortenden Maßnahmen wurde ein Großteil der Investitionsmittel des ICP für kostengünstigen Wohnungsbau (22%) und den Bau von ‚Volkswohnungen‘ (34%) verwandt.[54] Die Form der vom ICP errichteten Gebäude nahm dabei in den 20er Jahren vor allem die der Blockbebauung an. Vor allem nach der Abkehr von der Idee der Gartenstadt „konzentrierte sich der öffentlich geförderte Wohnungsbau nun auf die Anlage kompakter urbaner Wohnanlagen in Blockbauweise. Diese Anlagen waren von unterschiedlicher Größe: Sie konnten Teil eines Baublocks sein, einen ganzen Baublock oder mehrere umfassen beziehungsweise ein ganzes Quartier prägen.“[55] Vor allem in den Quartieren Garbatella, Testaccio und Trionfale erbaute der ICP in den 20er Jahren über 12.000 Wohnungen, einige davon außerhalb des damals gültigen Generalbebauungsplans.[56] Doch auch im Fall der Wohnungen für Beamte durch den INCIS findet sich die Blockbebauung in den 20er Jahren, wenn auch hier ausgestattet mit einem großen Innenhof, Gemeinschaftseinrichtungen und in großbürgerlicher Manier gestaltet. Insgesamt fielen etwa 15% der im Zeitraum 1924 bis 1928 erstellten Lizenzen auf den Bautyp intensivo, also deutlich mehr als auf palazzine (5,5%) und villino (2,8%).[57] Letztere Bautypen fand man ebenso im Zentrum wie in den Neubaugebieten in unmittelbarer Nähe des historischen Stadtkerns. Besonders der Aventin und das Viertel Parioli in bester Lage wurden durch diese Bautypen geprägt.[58]

Gegen Ende der 20er Jahre kommt zudem der erwähnte geförderte private Wohnungsbau in Form sogenannter case convenzionate zum Tragen, wodurch sowohl in bereits bestehenden als auch komplett neuen Vierteln eine große Zahl neuer Häuser gebaut wird, wodurch viele von der Aufhebung des Mietpreisstopps von 1917 im Jahre 1928 aus ihren Wohnungen verdrängte eher ärmere Familien eine neue Wohnung fanden.[59]

Den wohl bekanntesten Teil der faschistischen Wohnungsbaupolitik stellen die borgate dar, die in den meisten Untersuchungen einen großen Platz einnehmen. Das Problem existierte schon im liberalen Vorkriegsitalien, als Neuankömmlinge, die in der Stadt auch nicht temporär Fuß fassen konnten, sich eigene Baracken außer Sichtweite der großen Straßen bauen mussten.[60] Nach 1918 lebten wohl 45.000 bis 100.000 Einwohner in Baracken.[61] Fand also bereits vor 1922 eine teilweise Verdrängung subproletarischer Schichten aus dem Stadtzentrum statt, bildete diese Siedlungsform eine auch politische Lösung der Wohnungsnot unter Mussolini. Ursprünglich sollten diese Barackensiedlungen außerhalb der Stadt nur temporären Charakter besitzen, dienten dem Regime jedoch bald zur Ausgrenzung von in der Innenstadt nicht erwünschten Bevölkerungsschichten. „Als Begründung für die soziale Segregation wurde die nötige Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse genannt, d. h. dass die geplante Verlegung von Industrieanlagen in das Umland, den Zuzug von Arbeitskräften nach sich ziehen musste. Da Rom aber ohne bedeutende Industrieanlagen war, konnte die angetriebene Entwicklung nur in Verbindung mit spekulativen Interessen gebracht werden.“[62]

Die sich aus der Wohnungsnot ergebenden Barackensiedlungen wurden zum einen so weit außerhalb der Stadt und ohne eine entsprechende verkehrsinfrastrukturelle Anbindung erbaut, dass die Bewohner meist ihrer Arbeit im Zentrum nicht länger nachgehen konnten.[63] Viele dieser Verdrängten waren eher links eingestellte Arbeiter, die dadurch besser kontrolliert werden konnten.[64] Gleichzeitig hatten die Siedlungen jedoch auch keinen Bezug zum sie umgebenden Land und können auch als gescheiterter Versuch der Rurifizierung gesehen werden, bei dem Arbeiter in Bauern verwandelt werden sollten.[65] Zum anderen waren die Lebensbedingungen in den meisten Fällen überaus schlecht. Neben den schlechten Baumaterialien fehlten teilweise Wasserleitungen und eigene Toiletten.[66]

Am schlimmsten waren die Wohnbedingungen in den sogenannten case minime der provisorischen borgate. Die Wohnungen bestanden dort meist aus einem Raum von ca. 4m² und einer Küche und verfügten über keine eigenen sanitären Anlagen. Daneben gab es aber auch sogenannte konsolidierte borgate mit festen, 1-2-stöckigen Bauten und sogenannte urbane Borgate mit 3-4-stöckigen Wohngebäuden.[67]

Anders als oft dargestellt wohnten in den borgate jedoch nicht nur die Opfer der Abrissarbeiten im Zentrum. Laut der neueren Forschung sammelte sich in den borgate „eine jeweils sehr unterschiedliche Mischung aus sehr armen Menschen, die Opfer der Aufgabe der Mietpreisbindung waren, Bewohner illegaler Behausungen und Hütten, arme Zuwanderer aus ländlichen Regionen („Landflüchtige“), Arbeitslose oder Teilzeitbeschäftigte, später auch Rückwanderer aus dem italienischen ‚Ausland‘ und viele andere.“[68] Auch die Lebensverhältnisse in den borgate seien nicht so homogen gewesen wie oft dargestellt.[69]

Ebenso bekannt wie die borgate als Ausdruck der faschistischen Verdrängung der ärmsten Bevölkerungsschichten aus der Stadt ist das bereits kurz erwähnte Viertel Garbatella, bei dem sich verschiedene der vorgestellten Konzepte bzw. Gebäudetypen des sozialen Wohnungsbaus zeigen. Bereits 1920 begonnen, befand die Siedlung sich zunächst isoliert an einer möglichen Entwicklungsachse nach Ostia und erfuhr bis Ende der 20er Jahre verschiedene Bauphasen. Auch an der Bebauung anhand einer Reihe von Detailplänen anstelle eines einheitlichen, von vornherein festgelegten Gesamtplans, zeigt sich, wie das Regime im Bereich des Wohnungsbaus für ärmere Schichten der zunehmenden Wohnungsnot lediglich nach und nach entgegenwirkte und keine genügenden Maßnahmen zur Lösung dieses Problems ergriff. Der erste Bauabschnitt wurde noch vor dem Marsch auf Rom verwirklicht und bestand, der Idee der Gartenstadt verpflichtet, aus 204 Wohnungen des Bautyps villino. Ab 1923, vor allem zwischen 1925 und 1927, wurden in Garbatella dann stärker verdichtete Bauformen verwandt, u.a. für Barackenbewohner und Abriss-Verdrängte. Von 1926 bis 1928 entstanden schließlich die vier bereits erwähnten alberghi suburbani. Aufgrund des fehlenden Gesamtplans besaß Garbatella eine große architektonische Vielfalt – vom barocchetto bis zum Realismus – und gilt als ‚Exerzierfeld des Wohnungsbaus‘.[70]

Die bisher mehr oder weniger vertretene These der bewussten Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus durch die faschistische Regierung, da diese lediglich an einer Bindung der staatstragenden Mittelschichten an die Stadt und das System interessiert waren, muss jedoch durch einen Blick auf die Situation in anderen europäischen Großstädten der Zeit zumindest ergänzt werden, um nicht den Anschein der Einmaligkeit der italienischen Situation auf diesem Gebiet zu erwecken. In der Literatur wird darauf verwiesen, dass die Wohnungsnot ein Problem der Zeit sei, verschärft durch den 1. Weltkrieg, der in Rom einen faktischen Baustopp bewirkte. In einer vergleichenden Studie zur europäischen Wohnungspolitik von 1900 bis 1939 heißt es etwa:

„There are striking similarities in the development of both theory and practice of housing policy in the European countries. One of the most significant examples is the break-through towards state intervention in housing policy during World War I […]. The years after the end of World War I, during which ‘war socialism’ had generally advanced, marked the transition from paradigmatic and sectoral concepts towards broadly based public housing schemes, although not in all the countries investigated.”[71]

Außerdem muss auf den bedeutenden Bevölkerungszuwachs verwiesen werden. Von 1921 bis 1941 stieg die Einwohnerzahl von 560.000 auf 1,4 Mio. Dass dieser Zuwachs ohne die Ansiedlung von Industriebetrieben geschah, ist auch ein Grund für die Armut der Barackenbewohner, die im aufgeblähten Verwaltungsapparat keine Erwerbstätigkeiten fanden und denen somit nur die äußerste Peripherie als Wohnort blieb.[72]

Betrachtet man die für uns relevanten Jahre 1921-1930 in einem größeren Rahmen, so sieht man, dass 43% des von 1911 bis 1951 gebauten Neubauvolumens auf jene neun Jahre entfallen, also überdurchschnittlich viel.[73] Dies macht deutlich, welchen großen Anteil der Bereich des Wohnens – nicht allein für die Mittelschichten, aber in besonderer Weise für diese – in der Machtausübung und Konsensgestaltung in den ersten Jahren der faschistischen Herrschaft ausmacht.

Moskau

Die Situation in Moskau nach Welt- und Bürgerkrieg ist wie bereits beschrieben ungleich schwieriger als in Rom. Neben den erwähnten Umsiedlungsmaßnahmen bestehen die praktischen wohnpolitischen Maßnahmen deshalb zunächst in speziellen staatlichen Krediten zur Renovierung von Arbeiterwohnungen. Dies war vor allem durch den Verfall vieler Wohnungen aufgrund der zunächst erfolgten völligen Befreiung von jeder Miete erforderlich.[74] In den ersten Jahren nach der Revolution führte dies zu einem Verlust von schätzungsweise 10-20% des gesamten Wohnungsbestandes.[75]

Nachdem in Moskau zunächst das für Metropolen ungewöhnliche, kriegsbedingte Phänomen des Rückgangs der Bevölkerung vorherrschte, wuchs die Bevölkerung von 1923 und 1926 wieder um ein Drittel, u.a. bedingt durch die zumindest teilweise bereits einsetzenden Industrialisierungsmaßnahmen. In diese Periode fällt auch der Beginn des Massenwohnungsbaus, der auf 1924/25 datiert wird.[76] Bei den nach dem wieder einsetzenden Zuzug dringend benötigten Wohnungen wurde vor allem auf Rentabilität gesetzt.[77]

Die Idee des kommunalen Lebens findet zwar in einigen Fällen seine praktische Umsetzung – 1921 waren in Moskau 865 Kommunehäuser registriert –, bei der Realisierung der ersten kooperativen Siedlungen am Stadtrand war jedoch nach wie vor die Erstellung hygienischen und billigen Wohnraums entscheidend. Erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre erfolgte die kategorische Verbindung mit Gemeinschaftseinrichtungen, ebenso wie die funktionale Zuordnung der Wohnungen zum Arbeitsplatz und die Tendenz zum Massivbau. Im Rahmen der ersten Industrieförderungen und des Beginns des Massenwohnungsbaus kann man allgemein die Tendenz der Hinwendung vom siedlungsorientierten zum städtischen Wohnen erkennen. „Die Konsequenzen schlugen sich in Materialwahl, Größe und Standort der Häuser nieder. Eindeutig zeigte sich gegen Mitte der 20er Jahre, dass der mehrgeschossige Massenwohnungsbau den ‚Individuellen‘ Holzwohnungsbau verdrängte und die Standorte sich auf innerstädtische Randgebiete verlagerten.“[78] In diesem Zusammenhang soll auch noch einmal an die zuvor beschriebenen Wettbewerbe erinnert werden, die bei Beginn der Bauphase ab 1925 zumindest in abgeänderter Form verwirklicht wurden und die Idee der Gemeinschaftseinrichtungen vorangetrieben hatten.

In gewisser Weise kann man in der nicht nur theoretischen Abkehr vom Konzept der Gartenstadt, sondern auch in der praktischen Umsetzung des städtischen bzw. stadtnahen mehrstöckigen Wohnungsbaus eine Parallele zu Rom feststellen, zumindest in Bezug auf die herrschaftstragenden Schichten. Mit Ausnahme der borgate als zunächst provisorisch gedachter Verdrängungsmechanismen entsprechen doch die superblocchi bzw. palazzine in gewisser Weise der sowjetischen Blockbebauung.

Die auch schon vor dem ersten Fünfjahrplan einsetzende Industrialisierung prägte zwar den Neubau von Wohnungen, die mit 4-6 Geschossen an Wohndichte zunahmen, jedoch änderte dies trotzdem wenig an der Gesamtstruktur Moskaus. Noch immer waren über 50% aller Wohnbauten Holzhäuser, die Hälfte aller Wohnhäuser war eingeschossig.[79]

Trotz der wohnungsbaulichen Maßnahmen verschlechterte sich die Wohnungssituation zunehmend. Beim Vergleich mit den dreißiger Jahren ist zwar die Höhe der neugebauten qm-Zahl an Wohnraum von 1925 bis 1930 relativ hoch. Auch erkennt man den beschriebenen Beginn des Massenwohnungsbaus ab 1925: Während 1924 noch 58.000 qm neu gebaut wurden, sind es 1927 404.000 qm und 1930 bereits 516.000 qm. Berücksichtigt man aber das bis 1924/25 nur marginale Neubauvolumen, die ab 1922 abnehmende und erst in den 1960er Jahren wieder tatsächlich ansteigende qm-Anzahl je Einwohner (1922: 7,4; 1925: 5,9; 1930: 5,5) und das starke Anwachsen der Bevölkerung (vom Tiefpunkt 1920 mit knapp einer Mio. auf 2,46 Mio. im Jahre 1930), so erkennt man die sich abzeichnende Wohnungsnot.[80]

Interessanterweise können wir in Moskau die genaue Gegenbewegung zu Rom im privaten bzw. staatlichen Anteil am Wohnungsbau erkennen. Während 1923/24 noch knapp 23% aller Neubauten privat finanziert wurde – ab 1922 war dies aufgrund der Maßnahmen der NEP wieder möglich –, waren es 1928/29 noch 7,6%. Der Anteil der Moskauer Regierung wächst im selben Zeitraum von 34% auf 51%, jener des Staates und von Kooperativen verändert sich nur gering.[81]

Eine dauerhafte Errungenschaft aus den 20er Jahren, die mit dem Wohnungsbau nur indirekt zu tun hat und im Theorie-Kapitel bereits vorgestellt wurde, ist die Etablierung von großen Grünanlagen zur Verbesserung der allgemeinen Wohnbedingungen. “To this day no township in the former Soviet Union is so small that it does not have its Park of Culture and Rest. Of all the basic tenets, the greening of towns is probably the one that has most widely and successfully implemented.”[82]

Ebenso nur indirekt mit dem Wohnungsbau verbunden und hier nur am Rande erwähnenswert sind jene Einrichtungen wie Arbeiterklubs, Kulturhäuser oder öffentliche Bäder, die nicht direkt in Wohnkomplexe eingebunden waren, aber ebenso der Idee des kommunalen, sozialistischen Lebens dienten.[83] Das 1925 von Alexander Rodtschenko geplante und realisierte „Arbeiterclubhaus für den Pavillon der UdSSR auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris“[84] repräsentierte diese Tendenz sogar nach außen hin.

Im Fall Moskaus ist also eine eindeutige und klare Beurteilung schwierig, zu sehr sind die 20er Jahre noch Aufbau- und Etablierungsphase. Zwar können wir bereits einige erste Umsetzungen der neuen Ideen und Planungen beobachten, jedoch obsiegt in den meisten Fällen der tatsächlich in dieser Periode gebauten Wohnungen der Pragmatismus und die Verbesserung der hygienischen Bedingungen. Dennoch werden die 20er Jahre auch gesehen als „a period when within less than ten years all the most productive concepts of modern city planning were first advanced, when innumerable designs were produced, and when a not inconsiderable number of buildings, including some of the highest quality, were built in the face of the severest technical and material difficulties.“[85]

Fazit

Vergleiche zwischen zwei so verschiedenen Systemen wie dem Leninismus und dem Faschismus und auch zwischen zwei so unterschiedlichen Städten wie Moskau und Rom unterliegen der Schwierigkeit, gemeinsame Kriterien zu finden und nicht allein die offensichtlich großen Unterschiede aneinander zu reihen. In dieser Arbeit konnten jedoch aufgrund der engen thematischen wie zeitlichen Eingrenzung einige interessante Ergebnisse erarbeitet werden und die Betrachtung der jeweiligen Situation durch den Vergleich erweitert werden.

Die anfangs gestellte Frage nach den im Wohnungsbau der Etablierungsphase der beiden Regime erkennbaren Legitimations- wie Herrschaftsmechanismen bzw. nach den in einem Vergleich stets naheliegenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin ist – was nicht anders zu erwarten war – nicht so eindeutig zu beantworten, wie man es bei einem solchen Systemvergleich gern hätte. Wie wir gesehen haben, macht die recht klare These des auf die staatstragenden Mittelschichten fixierten faschistischen Staates im Gegensatz zum auf den Arbeiterwohnungsbau mit kollektiven Gemeinschaftseinrichtungen setzenden sozialistischen Staat generell durchaus Sinn. Argumente hierfür sind die unterschiedlichen Institute für sozialen und eher bürgerlichen Wohnungsbau und die damit verbundene klassenspezifische Trennung im Bereich des Wohnens zusammen mit der auf die Privatwirtschaft setzenden und den Mietpreisstopp kündigenden Politik Ende der 1920er Jahre. Auch die Abrissarbeiten im Zentrum, die propagandistische Wirkung höher setzten als das Wohl der dadurch wohnungslos gewordenen ehemaligen Innenstadtbewohner, unterstreicht dies. Allerdings darf man sich vom dauerpräsenten Bild der borgate auch nicht blenden lassen, schließlich gab es auch zahlreiche innerstädtische Blockbauten für Arbeiter. Außerdem zeigt das Beispiel Garbatella, dass auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus in der Peripherie verschiedene architektonische Formen Verwendung fanden und das Bild der Baracken darum bereichert werden muss.

Ebenso muss die These des sozialistischen Musterwohnungsbaus abgeschwächt werden. Die Idee des Kommunehauses versinnbildlicht zwar die Idee des neuen Menschen, ebenso wie die allumfassenden Planungen für den Umbau Moskaus den Neuanfang und die avantgardistische nachrevolutionäre Aufbruchstimmung deutlich machen. Eine Vergrößerung der Wohnungsnot ist dennoch trotz der Umsiedlungs- wie Baumaßnahmen in den 20er Jahren auszumachen.

Definitiv deutlich geworden ist, dass der Wohnungsbau keine unbedeutende Randerscheinung des Städtebaus in der Zwischenkriegszeit war, sondern dass wir an ihr aufgrund der Einflussmöglichkeiten der beiden Regime in diesem Bereich ablesen können, welche Bevölkerungsgruppen in welchem Maße in die Gesellschaft einbezogen wurden. Auch in der Theorie und Planung – sei sie verwirklicht worden oder nicht – des für jede Bevölkerung zentralen Bereich des Wohnens erkennen wir Präferenzen und Legitimationsmuster der beiden Systeme.

Literaturverzeichnis

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[1] Bodenschatz, Harald: Diktatorischer Städtebau in der Zwischenkriegszeit. Besonderheiten Italiens mit Blick auf das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion, In: Mattioli, Aram und Steinacher, Gerald (Hg.): Für den Faschismus bauen, Zürich 2009, S. 61

[2] Woller, Hans: Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert, München 2010, S. 95 ff.

[3] Kreis, Barbara: Moskau 1917-35. Vom Wohnungsbau zum Städtebau, Dissertation an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg 1985, S. 14 ff.

[4] Моссовет (Московский городской совет) = Moskauer Stadtrat, oberstes staatliches Organ in Moskau von 1917-1993

[5] Bodenschatz, Harald/Post, Christiane (Hg.): Städtebau im Schatten Stalins. Die internationale Suche nach der sozialistischen Stadt in der Sowjetunion 1929-1935, Berlin 2003, S. 95

[6] Bodenschatz, Harald: Städtebau für Mussolini. Auf dem Weg zu einem neuen Rom, Berlin 2013, S. 25, 61, 70

[7] Ebd., S. 25f., 68, 72

[8] Ebd., S. 73

[9] Ebd., S. 129

[10] Bauer, Franz J.: Rom im 19. und 20. Jahrhundert. Konstruktion eines Mythos, Regensburg 2009, S. 260

[11] Kreis: Moskau 1917-35, S. 54

[12] Bodenschatz: Städtebau im Schatten Stalins, S. 64

[13] Ebd., S. 65f.

[14] Akronym für „Höhere Künstlerisch-Technische Werkstätten“; von 1927 bis 1930 WChUTEIN (Künstlerisch-Technische Hochschule)

[15] Tschepkunowa, Irina: Die WChUTEMAS. Ein russisches Labor der Moderne. Architekturentwürfe 1920-1930, In: WChUTEMAS. Ein russisches Labor der Moderne. Architekturentwürfe 1920-1930. Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin, 5. Dezember 2014 bis 6. April 2015, S. 6-13

[16] Kreis: Moskau 1917-35, S. 33

[17] Osterwold, Matthias: Moskau, In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Stadtentwicklungen in kapitalistischen und sozialistischen Ländern, Hamburg 1978, S. 259

[18] Kreis: Moskau 1917-35, S. 35

[19] Bodenschatz: Städtebau im Schatten Stalins, S. 79 ff.

[20] Bauer: Rom im 19. und 20. Jahrhundert, S. 215

[21] Chan-Magomedow, Selim O.: Pioniere der sowjetischen Architektur. Der Weg zur neuen sowjetischen Architektur in den zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre, Dresden 1983, S. 273 ff.

[22] Kreis: Moskau 1917-35, S. 30

[23] Bodenschatz: Städtebau im Schatten Stalins, S. 65

[24] Graben, Helga beim: Die Entwicklung des Wohnungswesens von Rom unter den Prozessen der Urbanisierung. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften im Department für

Geowissenschaften der Universität Hamburg, Hamburg 2008, S. 66

[25] Bauer: Rom im 19. und 20. Jahrhundert, S. 220f.

[26] Bis Mitte 1920 wurde dadurch der Anteil der Arbeiter an Einwohnern in der Innenstadt von 3-5% auf 40% erhöht. Siehe Kreis: Moskau 1917-35, S. 20

[27] ВСНХ (Высший совет народного хозяйства) = Oberster Rat für Volkswirtschaft; von 1917-32 oberstes Organ der sowjetischen Volkswirtschaft

[28] Bodenschatz: Städtebau im Schatten Stalins, S. 65

[29] Neutatz, Dietmar: Die Moskauer Metro. Von den ersten Plänen bis zur Großbaustelle des Stalinismus (1897-1935), Köln (u.a.) 2001, S. 28

[30] Ebd., S. 45-68

[31] Bodenschatz: Städtebau im Schatten Stalins, S. 69

[32] Ebd., S. 70

[33] Ebd., S. 70; zitiert nach: Sestakov, S.S.: Bol’saja Moskva [Groß-Moskau], Moskva 1925

[34] Ebd., S. 70

[35] Kreis: Moskau 1917-35, S. 53 f.

[36] Painter, Borden W.: Mussolini’s Rome. Rebuilding the Eternal City, New York 2007, S. 94

[37] Painter: Mussolini’s Rome, S. 95 ff.

[38] Graben: Die Entwicklung des Wohnungswesens, S. 71

[39] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 27 f.

[40] Ebd., S. 28

[41] Graben: Entwicklung des Wohnungswesens, S. 75 ff.

[42] Bauer: Rom im 19. und 20. Jahrhundert, S. 218

[43] Chan-Magomedow: Pioniere der sowjetischen Architektur, S. 277

[44] Ebd., S. 277

[45] Kreis: Moskau 1917-35, S. 42

[46] Kreis, Barbara: Zwischen „Lebendiger Klassik“, Rationalismus und Konstruktivismus – Die Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstätten WChUTEMAS in Moskau 1920-1930, In: WChUTEMAS, S. 22, 27

[47] Bodenschatz: Städtebau im Schatten Stalins, S. 95

[48] Bodenschatz: Diktatorischer Städtebau in der Zwischenkriegszeit, S. 45-64

[49] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 132 ff.

[50] Ebd., S. 94

[51] Ebd., S. 133

[52] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 83

[53] Borden: Mussolini’s Rome, S. 94

[54] Graben: Entwicklung des Wohnungswesen, S. 74

[55] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 26

[56] Ebd., S. 61

[57] Graben: Entwicklung des Wohnungswesens, S, 86ff.

[58] Painter: Mussolini’s Rome, S. 105ff.

[59] Painter: Mussolini’s Rome, S. 98 ff.

[60] Bauer: Rom im 19. und 20. Jahrhundert, S. 264 f.

[61] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 24

[62] Graben: Entwicklung des Wohnungswesens, S. 79

[63]Ebd., S. 78

[64] Painter: Mussolini’s Rome, S. 95

[65] Ebd., S. 94

[66] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 27

[67] Graben: Entwicklung des Wohnungswesens, S. 80 ff.

[68] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 83. Bodenschatz bezieht sich hier auf folgende Studie: Villani, Luciano: Le borgate des fascismo. Storia urbana, politica e sociale della periferia romana. Wissenschaftliche Untersuchung an der Università di Torino. Mailand 2012

[69] Ebd.

[70] Bodenschatz: Städtebau für Mussolini, S. 61 ff.

[71] Zimmermann, Clemens: Introduction, In: Europäische Wohnungspolitik in vergleichender Perspektive 1900-1939, hg. Von Clemens Zimmermann, Stuttgart 1997, S. 1

[72] Harlander, Tilman: Notwohnen und Selbsthilfe in der Großstadtperipherie der 20er und 30er Jahre. Beispiele aus Österreich, Deutschland, Italien und Griechenland, In: Europäische Wohnungspolitik in vergleichender Perspektive 1900-1939, hg. Von Clemens Zimmermann, Stuttgart 1997, S. 75

[73] Graben: Entwicklung des Wohnungswesens, S. 93 ff.

[74] Kreis: Moskau 1917-35, S. 32 f.

[75] Osterwold: Moskau, S. 259

[76] Kreis: Moskau 1917-35, S. 32 f.

[77] Chan-Magomedow: Pioniere der sowjetischen Architektur, S. 277

[78] Kreis: Moskau 1917-35, S. 43 ff.

[79] Kreis: Moskau 1917-35, S. 58 f.

[80] Diese Zahlen sind dem statistischen Anhang entnommen aus: Colton, Timothy J.: Moscow. Governing the Socialist Metropolis, Cambridge/London 1995, S. 757 f., 796 ff.

[81] Colton: Moscow, S. 164 ff.

[82] French, R. Antony: Plans, pragmatism and people. The legacy of Soviet planning for today’s cities, London 1995, S. 47

[83] Ebd., S. 44

[84] Projektaufgaben der Architekturfakultät, In: WChUTEMAS, S. 158

[85] Kopp, Anatole: Town and Revolution. Soviet Architecture and City Planning 1917-1935, New York 1970, S. 233